Less noise – more conversation.

 Lesedauer: 6 Minuten

Früher war alles besser!

Nostalgie

Die Corona-Krise macht irgendwie auch wehmütig. Vielleicht gibt mir der Ausfall von Besuchen und sozialen Anlässen einfach zu viel Gelegenheit zum Grübeln. Möglicherweise ist mir angesichts der Komplexität unserer gegenwärtigen Welt auch etwas schwindlig geworden – es wird ja gerade ausgesprochen schmerzhaft deutlich, wie eng in unserer Gesellschaft alles miteinander zusammenhängt und aufeinander einwirkt. Auf jeden Fall denke ich in diesen Tagen öfter mal zurück, an »gute, alte Zeiten«.

Damit meine ich nicht die Zeit unmittelbar vor der Krise – es gibt gute Gründe, gar nicht mehr dahin zurückzuwollen. Aber vielleicht ein paar Jahre weiter in die Vergangenheit? In die glorreichen 80er oder 90er Jahre zum Beispiel, als die Welt noch überschaubar war (oder einem zumindest so erschien), Eurodance noch als Musik galt und das verhedderte Magnetband von Kassetten noch mit dem Bleistift neu aufgerollt wurde?

Wenigstens die GenX-ler unter unseren Lesern möchte ich hiermit einladen, die aufgezwungene Stille dieser Tage (wenn sie einem denn gegönnt ist) für eine kleine Zeitreise zu nutzen.

Das muss kein kindischer Rückzug sein (darf es aber irgendwie schon auch), es kann auch ein emotionales Anknüpfen an dem sein, woher man kommt. Gewissermassen ein Statement gegen die (pop-)kulturelle Geschichtsvergessenheit…

Hier also meine Tipps für einen persönlichen »walk down the memory lane«, mit dem ich natürlich unweigerlich auch einiges über meinen eigenen Jahrgang und meine prägenden Jugenderfahrungen verrate.

Videogames

Die Welt der Computerspiele ist in den vergangenen Jahrzehnten förmlich explodiert. Das Budget der Entwickler hat sich verhundertfacht, längst werden nicht nur Spiele zu bekannten Filmen entwickelt (Harry Potter, Herr der Ringe…), sondern auch umgekehrt Filme zu populären Games produziert (World of Warcraft, Tomb Raider, Jumanji, The Witcher…).

Das hätte man sich früher kaum denken können. Damals wurden Spiele von unterbezahlten Nerds in kleinen Softwarefirmen für 8-Bit Computer wie Commodore 64, Amiga oder Atari entwickelt: Pixel wie Bauklötze, ein scheppernder Sound, der auf 4-Sterokanäle begrenzt war – aber jede Menge Spass!

Wer selbst eine Gamer-Vergangenheit hat, sollte darum unbedingt mal auf Youtube nach dem Namen seiner Lieblingsspiele suchen: Es finden sich köstliche Videos, die das Gameplay dieser Pionierzeiten vor Augen führen.

Wer sich da mal »Super Mario Bros.«, »Monkey Island«, »Lemmings« oder »Turrican« anschaut (und anhört, mit den sensationellen Soundtracks von Chris Huelsbeck), kann sich auf eine wunderbare Zeitreise gefasst machen, die bestimmt auch Anlass zum Schmunzeln gibt… Und wen es dann richtig packt, kann sich einen Emulator herunterladen und die alten Spiele auf seinem PC oder Mac nachspielen.

Kultfilme

Warum nicht die Zeit, in der wir die physischen Kontakte reduzieren, für einen nostalgischen Filmabend nutzen? Auf Amazon Prime, Disney Plus, Netflix und anderen Streaming-Plattformen warten unvergessliche Filmklassiker auf uns, die uns Ruckzuck in die Vergangenheit entführen.

So können wir eintauchen in die schräge Welt von »Back to the Future« oder »Mad Max«, staunen über die beeindruckende CGI von Terminator II (und die miserable Schauspielkunst von Arnold Schwarzenegger), lachen mit Eddie Murphy in »Beverly Hills Cop«, uns gruseln mit »Nightmare on Elm Street«, oder noch einmal mitgerissen werden von der Action in »Stirb Langsam« oder »Lethal Weapon«.

Wer diese abgeschotteten Tage im seinen Kindern verbringt, könnte mit »Kevin allein Zu Haus«, »Cool Runnings« oder »Sister Act« unvergessliche Familienmomente schaffen. Und dazu den Popcorn-Vorrat wegfuttern. Fast unbegrenzte Möglichkeiten also…

Lieblingssongs

Natürlich lässt sich das auch mit Musik machen: Es gibt ja bestimmte Songs, die sich für immer ins Gedächtnis einbrennen und sich eben dort untrennbar mit Erinnerungen an Orte, Menschen, Gefühle und Gerüche verbinden. Es wird sich dabei nicht notwendigerweise um »gute« oder »hochstehende« Musik handeln, vielleicht nicht einmal um Musik, die einen heute noch wirklich gefällt.

Aber jede, die vom Autoradio schon einmal von einem Sommerhit aus früheren Zeiten überrascht oder von einer altbekannten Novemberballade erwischt wurde, kennt die Kraft solcher Songs, einen in die Vergangenheit zu entführen.

Da kündigt ein nostalgischer Moderator den Brian-Adams-Hit »Summer of 69« an – und ohne die Zeit zu haben, sich einigermassen zu sammeln, findet man sich mitten in einem Pfadi-Lager, an einer legendären Schulparty, oder auf einem jugendlichen Road-Trip wieder (mit Interrail quer durch Europa…). Und wenn auf dem Arbeitsweg auf einmal »November Rain« von Guns n’ Roses aus dem Lautsprecher tönt, stellen sich ganz von selbst die bittersüssen Gefühle ein, in die man damals beim Hören dieses Songs versunken ist…

Michael Jackson ist hier natürlich auch eine hervorragende Adresse (»Billie Jean«, »Bad«, »Man in the Mirror«, »Black or White« u.v.a.), am besten mit den zugehörigen Video-Clips. Schaurig-schön können zudem die alten Euro-Dance-Klassiker einfahren: »Mr. Vain« von Culture Beat, »What is Love« von Haddaway, oder »Rhythm of the Night« von Corona (ja, ich weiss, aber die hiess halt so…). Wer ganz stark ist, kann sich auch den Hit des einheimischen DJ Bobo »There’s a party« gönnen: Das gruselige Video definiert den Begriff »Fremdschämen« ganz neu…

Zeitgeschehen

Zum Schluss noch ein Nostalgiker-Tipp für alle, die ihre Jugend in den 80er oder 90er Jahren nicht nur mit Luftschutzkeller-Parties, Unterhaltungsfilmen und Computerspielen verbracht haben, sondern auch ab und zu das Tagesgeschehen mitverfolgt haben:

Kaum etwas führt uns den Fortschritt der Zeit und den Wandel unserer Gesellschaft so klar vor Augen wie ein Blick auf die Schlagzeilen früherer Jahrzehnte.

Auch hier hilft uns Youtube weiter: Es finden sich einige köstliche alte Ausgaben der SRF-Tagesschau aus vergangenen Zeiten – etwa eine Sendung vom 13. August 1993, moderiert von der jungen Katja Stauber (vor wenigen Tagen, im April 2020, hat sie ihre letzte Sendung moderiert).

Die Themen: Kommt der EWR-Beitritt nach dem Abstimmungssieg der SVP im Vorjahr nun doch noch einmal aufs Tapet? Dann auch: Der Streit um die Schweizer Milchpreise; die Ausländer-Regelung des Bundesrates (mit peinlich anrührenden Interview-Statements zum »Gesamtausländerbestand« der Schweiz…); die Verhandlungen um den Bosnienkrieg; der erste Besuch des Papstes beim amerikanischen Präsidenten Bill Clinton – und zum Schluss: Joseph Blatter von der FIFA gibt ein neues, computergestütztes Verfahren bekannt, um eine adäquate Fussball-Weltrangliste zu erstellen. Die Schweiz schafft es darauf auf Platz 3!

So, und wer jetzt nach dieser Zeitreise mit erwärmtem Herzen wieder zurück in die Gegenwart findet, darf wissen: Auch die aktuellen Umstände gehen einmal vorüber, und irgendwann werden wir auch an diese Zeit zurückdenken – die meisten von uns wohl nicht wehmütig, aber doch im Bewusstsein: Das Leben ging weiter.

 

 

1 Kommentar zu „Früher war alles besser!“

  1. „Was Heimweh für den Raum ist, das ist Nostalgie für die Zeit.“ Sehr schön. Und was Du beschreibst ist eigentlich eine Kombi… und beim Einschalten von Musik ein übergreifender Aggregatzustand – freeze – die Grenze zwischen Gegenwart und Vergangenheit wird flüssig – und plötzlich sind wir mit allen Sinnen zurück in einer Zeit, als unsere Pläne noch gasförmig waren…
    Ich glaube, wir waren zur selben Zeit jung ;). Früher war wohl nicht alles besser… aber mir scheint, wir haben noch mehr geträumt… der Raum vor uns schien mir weiter offen… und Zeit unbegrenzter – wie läßt sich sonst das stundenlange Bespielen von Kassetten mit ganz eigenen Lieblings-Compilations erklären? 😉 Ich habe noch min. 2 Boxen voll. Und nach dem Lesen hab‘ ich nochmal richtig Lust, reinzuhören und mich überraschen zu lassen, wo ich hinbefördert werde… – falls ich ein funktionierendes Kassettendeck aufstöbere!
    Eines hast Du in Deiner nostalgischen Aufzählung noch vergessen, wenn man sich dem auch nur noch schwerlich zuwenden kann – das Instagram der 80er… Na, was war das? 😉

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