Die CVP reformiert sich.
Das zeigt sich daran, dass die Parteileitung das “C” offen zur Diskussion stellt und bis zur Delegiertenversammlung im Juni die Namensfrage klären will. Und es wird deutlich an der Haltung vieler CVP-Mitglieder: Sie sind bereit, die Volksinitiative zur Abschaffung der ‘Heiratsstrafe’ zurückzuziehen. Darin ist die Ehe als Verbindung von Mann und Frau definiert. Just dies passt nicht zu einer Partei, deren Kandidat*innen mit grosser Mehrheit der “Ehe für alle” zustimmen wollen. Beide Entwicklungen weisen in die Richtung weg von der katholisch-bürgerlichen Milieupartei, hin zu der pragmatischen Mitte. Dieser Trend dürfte sich durch die bevorstehende Fusion mit der BDP verstärken.
Ein Platz in der Mitte
Dass die CVP den Platz in der Mitte besetzen will, hat sie in den letzten Jahren immer wieder gezeigt. Dadurch ist sie zur Alternative für FDP-Wähler*innen im linksliberal-sozialen Spektrum avanciert. Allerdings neigen diese möglichen Unterstützer*innen zu einer gewissen Ideologieunverträglichkeit. Watson bilanziert:
“Viele Menschen finden die CVP an sich gut, das Christliche aber ist für sie eine unüberwindbare Hemmschwelle.”
Steht die Partei also vor der Frage, ob sie ihr christliches Erbe opfern soll, um auch für diese Wähler*innen attraktiver zu werden?
Unterscheiden
Freilich: Wer sich gerne melancholisch in deprimierenden Zeitdiagnosen suhlt, darf das so sehen. Als Kniefall vor dem Zeitgeist. Als weiteres Indiz für das Ende des christlichen Abendlandes. (Man kann das entweder für sich mit einem Glas schweren europäischen (!) Rotwein geniessen oder am Stammtisch gemeinsam bei einem Bier.) Man könnte aber den Parteipräsidenten Pfister auch beim Wort nehmen:
“Die CVP muss sich reformieren.”
Reformieren ist ja zunächst keine unchristliche Tätigkeit. Vielmehr verdanken wir den Reformationsbewegungen die heute übliche Sensibilität in der Unterscheidung zwischen Religion und Politik, Kirche und Staat, Glauben und Wissen.
Reformatorischer Geist
Es passt ausgezeichnet zum reformatorischen Geist – dessen kleiner Bruder unser “Zeitgeist” in vielem ja ist –, dass eine christliche Volkspartei darauf verzichtet, sich als “christlich” zu bezeichnen. Darin spiegeln sich zwei wichtige kulturelle Lernergebnisse:
- Argumente und Positionen dürfen in öffentlichen Fragen nicht deshalb überzeugen, weil sie christlich, evangelisch, reformiert oder katholisch sind. Sondern nur darum, weil sie plausibel vermitteln können, dass sie besser sind für das Gemeinwohl.
- Es gibt keine christlichen Antworten auf politische Fragen. Sondern Christ*innen, die sich als Mitmenschen, als Teil der Öffentlichkeit, politisch engagieren und einmischen.
Gott sei Dank, können wir uns innerhalb demokratischer Verfahren einbringen. Gott sei Dank, brauchen wir dafür keine namhafte Zuordnung, als ob der Glaube, die Kirche oder die Religion Partei wäre. Gott sei Dank, zeigen religiöse Werte immer wieder Gesicht in Form von Menschen, die im Sinne des Gemeinwohls für sie einstehen.
1 Gedanke zu „CVP nicht mehr “christlich”?“
Ich habe bei meinem ersten Wahlgang die CVP gewählt. Nicht, weil ich besonders christlich aufgewachsen wäre, sondern weil mir die Kirche und die “Brückenbauer-Funktion” der Mitte sympathisch war. Im Laufe der Jahre wurde ich dann von den Parolen der Partei häufig schwer entäuscht. Das C im Namen scheint einfach für “C”onservativ zu stehen. Das ist doch nicht alles was die Bibel zu bieten hat? Ändert den Namen. Das tut der “Marke” christlich gut. Wie wärs mit Konserven-Partei? 😉