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 Lesedauer: 4 Minuten

Ans Heile heranwachsen

Zeichen für nach dem Lockdown

Erst zögerlich und jetzt immer entschiedener spriessen die Zeichen, Hinweise und Gesten, die auf die Zeit nach dem Lockdown zielen. Bilder des Gangbaren werden uns vor Augen gemalt, in denen wir uns einrichten können. Um uns vorzubereiten auf die Zeit, die kommt.

Gewisse Geschäfte werden geöffnet. Primarschüler*innen werden zur Schule gehen. Da und dort wird das Homeoffice zurück ins Büro verlegt. Zu Hause wird es wieder leerer. Die Wirtschaft kurbelt den Motor wieder an. Grossveranstaltungen aus Kultur und Sport müssen noch warten.

Gemischte Gefühle

Die Vorfreude auf die Rückkehr von Bewegungsfreiheit und gewohnten Rhythmen mischt sich mit einem ungläubigen Staunen, ob das alles wieder wirklich werden wird. So weit weg ist gerutscht, was bis vor Kurzem völlig normal war. Zu der Hoffnung, wieder normal leben zu können, tritt die Angst vor den düsteren Prognosen über eine gewaltige Rezession, eine zementierte globale Ungerechtigkeit, sich zuspitzende Krisen und Konflikte.

Wenn man nur an der Uhr drehen könnte

Wäre nur schon da, was jetzt erst bebildert, besprochen und herbeigeredet wird. Hätten wir uns doch dort schon eingefunden. Und wüssten wir schon, dass aus der Nähe betrachtet alles nicht so schwierig und schlimm ist wie im Voraus befürchtet.

Quasimodogeniti klingt wie Hokuspokus, ein spielerischer Klang, der geheimnisvoll in den Ohren schmeichelt.

Man kann es auch übersetzen: «Wie die eben erst Geborenen». Es ist der Name des heutigen ersten Sonntags nach Ostern und ein Zitat:

«Verlangt jetzt wie neugeborene Kinder nach der vernünftigen, unverfälschten Milch, damit ihr durch sie heranwachst zum Heil, falls ihr je geschmeckt habt, wie gütig der Herr ist.» (1. Petrus 2,2f.)

Unser Sehnen und Bangen im Blick auf die Rückkehr zur Normalität trifft auf das nachösterliche Hoffen und Fürchten, das nicht so recht weiss, wie es sich im Normalen einrichten und bewahren soll.

Was nährt uns?

Wie Neugeborene mit Muttermilch gefüttert werden, damit sie wachsen und gedeihen, sollen wir uns nähren, um ans Heile heranzuwachsen. Normalerweise helfen Bilder, das Gedankliche zu erläutern und anschaulich zu machen. Doch wenn wir an wohlgenährte Babys denken, bei denen sich an Beinchen, Ärmchen und Hals Speckröllchen an Speckröllchen reiht, dann merken wir schnell, dass das Bild von der nährenden Milch bei uns eine ambivalente Wirkung hat. Denn wir haben zur Nahrung ein eher kapriziöses Verhältnis.

Auch in Zeiten von Corona ist das Essen in einer Fülle und Qualität vorhanden, dass wir die Kalorien nicht zählen, um sie uns zuzuführen, sondern um sie wegzulassen. Es gibt kein treffenderes Bild für diese Ambivalenz als die spindeldürren Supermodels, die auf den Fashion-Shows über die Laufstege schweben. Weil wir über die beste Nahrung verfügen, können wir es uns leisten, auf sie zu verzichten.

Wir müssen erst wieder lernen, was es heisst, uns zu ernähren; im ganz konkreten wie im übertragenen Sinn.

Wir haben die Pflicht, uns zu ernähren. Leichtfüssig schwebend, paradox verzichtend sind wir den Herausforderungen nicht gewachsen, die auf uns warten.

Genährt für die Ziele, die uns klar vor Augen stehen: Wir wollen zurück in eine Normalität, auch wenn sie anders aussehen wird als vorher. Das gesellschaftliche Leben soll nicht nur in den Medien, sondern ganz real stattfinden. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Lockdown müssen aufgefangen und gemeistert werden. Und dabei spielen nicht nur das Lokale oder Nationale, sondern das Globale eine Rolle. Wenn wir andere Länder oder ganze Kontinente aus dem Blick verlieren, wirkt sich das auch auf uns aus. Es gibt keine Insel der Seligen. Es braucht das Heile und Gute für alle.

Das sind grosse Aufgaben

Wie sieht die Nahrung aus, die uns Kraft gibt, sie anzugehen? Woraus bestehen die Speckröllchen, die uns schützen und Kraft geben?

Wir sollen uns mit vernünftiger, unverfälschter Milch nähren.

Der Blick auf das Vernünftige.

Die Ausrichtung auf das Heile und Gute.

Beides, Blick und Ausrichtung ohne Falsch.

Eine Ahnung von der Grösse und Einfachheit dieser Nahrung steigt auf. Die Nahrung entspricht ihrem Ziel.

Ans Heile heranwachsen

An diese Nahrung müssen wir erst heranwachsen, um ans Heile heranzuwachsen.

Wachsen, weil ich nicht im Voraus schon alles wissen und können muss. Wachsen, damit das eigene Sehnen und Bangen durch den jeweils nächsten Schritt geerdet wird. Wachsen, wenn ich mich zu den Gleichgesinnten zähle, die auch beim übernächsten Schritt noch zuverlässig mit dabei sind. Wachsen an Hoffnung heisst das.

Hoffnungsvoll ans Heile heranwachsen. Dieses Bild gefällt mir.

 

Photo by Khoa Pham on Unsplash

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