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Krieg und Frieden – vom Töten, Sterben und Verweigern.

Bei Manuel paaren sich Vorfreude und Nervosität: Das RefLab-Podcast-Festival steht vor der Tür, und es gibt noch tausend Dinge zu erledigen, bevor es dann heisst: «Alles wird gut». Bei Stephan ist kurz vor der Aufnahme ein Stossgebet Richtung Himmel entwischt – das Mikro wollte nicht, die Technik streikte. Aber das eigentliche Thema der heutigen Folge ist noch weitaus herausfordernder.

Denn es geht um Krieg. Um Frieden. Und um die tiefen moralischen Fragen, die dazwischenliegen. Anlass des Gesprächs ist das Buch «Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde – Gegen die Kriegstüchtigkeit» von Ole Nymoen. Ein kleiner Text mit grosser Sprengkraft: In der öffentlichen Debatte wurde der Autor bereits als Lumpenpazifist, Naivling und Putin-Funktionär beschimpft.

Manuel liest Nymoens Text mit Sympathie für das pazifistische Anliegen, aber mit  Distanz zu dessen Begründungsmustern. Stephan hingegen lehnt nicht nur Nymoens Schlussfolgerung, sondern schon den gedanklichen Anlauf ab. Während Manuel aus christlich-ethischer Überzeugung jede Form des Tötens verweigert, verteidigt Stephan die Idee, dass es im äussersten Fall richtig sein kann, ein Land auch mit Waffen zu schützen.

Die beiden diskutieren hitzig, aber respektvoll über das klassenkämpferische Motiv des Buches: die Beobachtung, dass es vor allem junge Männer aus prekären Verhältnissen sind, die sich aus finanziellen oder beruflichen Gründen zum Militärdienst melden – und dann als Bauernopfer an die Front geschickt werden. Die Söhne der Bauern des einen Landes sollen den Söhnen der Bauern des anderen Landes im Namen ihres Staates den Schädel einschlagen, ohne je einen persönlichen Grund gehabt zu haben, einander zu hassen… das will Manuel nicht einleuchten.

Stephan widerspricht einer solchen Sicht auf den Staat als blosses Gewaltregime. Für eine Flagge würde er nicht sterben, sagt er – wohl aber für die Werte eines freiheitlichen, rechtsstaatlichen Gemeinwesens, das seine Bürger nicht von oben herab regiert, sondern in das sie als demokratische Teilhaber eingeschrieben sind. Manuel bleibt skeptisch: Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wer vom Staat wirklich mitgedacht wird – und wer lediglich funktionalisiert wird.

Im zweiten Teil der Folge richten die beiden den Blick auf die religiöse Dimension. Stephan zeichnet in groben Linien eine biblische Genealogie von Krieg und Frieden nach – von göttlich sanktionierten Kriegen im Alten Testament über das Friedensreich der messianischen Hoffnung bis hin zur radikalen Gewaltlosigkeit der Bergpredigt. In der Kirchengeschichte aber finden sich zahlreiche Beispiele für Kriegsrechtfertigungen – und nicht selten wurden Kriege gerade unter christlicher Flagge geführt.

Manuel verweist auf die Täufer als gewaltfreie Zeuginnen in einer gewalttätigen Zeit. Ihr Pazifismus war nicht bequem, sondern teuer – sie wurden verfolgt, gefoltert, getötet, weil sie sich der Staatsgewalt und ihrer Logik verweigerten. Hier, so Manuel, liegt der entscheidende Unterschied zur Argumentation Nymoens: Christlicher Pazifismus strebt nicht nach Selbstschutz, sondern steht in der Nachfolge eines gewaltlosen Gottes, selbst wenn es das eigene Leben kostet.

Am Ende steht die Frage im Raum, auf die es keine einfachen Antworten gibt: Gibt es etwas, wofür ich bereit wäre zu sterben? Und: Gibt es etwas, wofür ich bereit wäre zu töten? Zumindest für Manuel sind das zwei sehr verschiedene Fragen – auf die erste würde er sofort bejahend antworten, auf die zweite gerade nicht…: Eine kontroverse Folge, die hoffentlich zum weiteren Nachdenken anregt.

 

Zum Thema Krieg und Frieden ist bei RefLab übrigens eine Reihe von persönlichen «Briefen zum Krieg» erschienen, anlässlich des Angriffs Russlands auf die Ukraine – auch Stephan und Manuel haben dazu beigetragen. Ihr findet die Texte hier.

Das Buch von Ole Nymoen «Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde: Gegen die Kriegstüchtigkeit» lässt sich hier bestellen – oder überall kaufen, wo es Bücher gibt. Der Zeitungsartikel von Nymoen, der die breite Debatte ausgelöst hat, findet sich hier.

7 Gedanken zu „Krieg und Frieden – vom Töten, Sterben und Verweigern.“

  1. Du SOLLST nicht töten, weil es sehr schlecht für die geistig-heilende Bewusstseinsentwicklung ist, ausserdem gibt es offensichtlich immernoch keine menschenwürdige und gottgefällige Welt-/Werteordnung, besonders die, die meint das Recht zu haben Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und Demokratie und “gesundes” Konkurrenzdenken nach ihrem Gusto im stets gleichbleibenden Verhältnis von 1:5 (Wohlstand : Tittytainment) der Weltbevölkerung (Dienstleistungsgesellschaft) globalisieren zu müssen, ist es nicht wert dafür Krieg zu führen.

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  2. “Dienstleistungsgesellschaft” – Dies heuchlerisch-verlogene Wort, hat seinen Ursprung in der falschen/konfusionierenden Interpretation der biblischen Philosophie, für den zeitgeistlichen Reformismus / für die Unwahrheit in heuchlerisch-verlogener Schuld- und Sündenbocksuche.
    👋🥴🤚

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  3. Globalisierung der Dienstleistungsgesellschaft – 1996 hat Gorbatschow in den USA eine Konferenz organisiert, die den sogenannten kleinen Ländern helfen sollte.

    Dort ist das Wort Tittytainment erfunden worden, sozusagen aus Langeweile der “Großen”, weil sie den “Kleinen” die Bedingungen noch nicht einfach überstülpen konnten.

    Tittytainment, neues Wort für Brot & Spiele

    Dienstleistungsgesellschaft, neues Wort für das gleichermaßene Verhältnis von 1:5 (Wohlstand : Tittytainment) der Weltbevölkerung

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  4. Statt – wie Ole Nymoen – darüber nachzudenken was man machen soll, wenn es zu spät ist: ob man im Falle eines Krieges zur Waffe greifen will, sollte man sich damit beschäftigen, wie man Konflikte vermeiden und ein friedlichen Zusammenleben erreichen kann.

    z.B. ist für viele europäische Länder die Idee ganz normal, dass man zur NATO beitritt um sich gegen russiche Bedrohung zu schützen. Russland gesteht man aber nicht zu, sich durch die Osterweiterung der NATO bedroht zu fühlen. D.h. wenn man Europäern Rechte zugesteht, die man Russland aber nicht zugesteht – dann ist dies eine Form von rassistischer Denkweise, wie man sie aus der Kolonialzeit kennt: wo den Einwohnern vieler Länder nicht die gleichen Rechte zugestanden wurden, wie den Europäern.

    z.B. hat Chruschtschow russische Gebiete der Vor-Ukraine zugeordnet – was dazu führte dass einer der wichtigsten Militärstandpunkte Russlands (Krim) auf ukrainischem Boden war, als die Ukraine unabhängig wurde.
    Dieses Problem hätte man mit einem Pachtvertrag gewaltfrei lösen können!
    Aber statt friedlicher Problemlösung hat man Russland absichtlich militärisch provoziert, indem 2008 in Bukarest beschlossen wurde, die Ukraine irgendwann in die NATO aufzunehmen. Zusätzlich hat die Ukraine 2019 das Ziel in die NATO einzutreten in die Verfassung aufgenommen. Damit hatte Russland zwei Möglichkeiten: A) langfristig einen extrem wichtigen Militärstandpunkt aufzugeben oder B) dafür zu sorgen, dass die Krim und der Zugang dazu russisch wird.
    Russland hat sich für die B)-Variante entschieden.

    Statt Russland durch die NATO-Osterweiterung militärisch zu provozieren – hätte man dafür sorgen können, dass es zwischen NATO und Russland blockfreie Staaten gibt. D.h. es hätte eine Alternative zum aktuellen Krieg gegeben.

    Es wäre wünschenswert, wenn man ernsthaft darüber nachdenken würde, wie man Kriege vermeiden kann, statt Länder ´kriegstüchtig´ zu machen.
    Und es wäre wünschenswert, auch darüber nachzudenken, was Rüstung für Konsequenzen hat:
    Deutschland hat vor, die Rüstungsausgaben von 2% auf 5% des BIP zu erhöhen. Ich rate dazu, dem KI-Programm http://www.perplexity.ai die fogende Frage zu stellen “Welche sozialen und ökologischen Auswirkungen hat es, wenn Deutschland die Militärausgaben um 3 % erhöht?”

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  5. Ich erinnere mich an Igor Belanow.
    In den Achtzigern war er für mich der Stürmerstar. Ich habe mir die Neun auf ein Borussia-Trikot gemalt, stand damit in der Kurve, voller Stolz.

    Vor kurzem sah ich ihn wieder.
    In Uniform.
    Ein Mann, den ich fast nicht erkannt hätte. Der angebliche „Russe“, der heute für sein Land Ukraine kämpft, damit es nicht geplündert wird. Ein Bild, das alles in mir erschüttert hat.

    Lange habe ich geglaubt: Kommt der Krieg nach Deutschland, gehe ich. Mit meiner Familie. Mit meinen Kindern. Heute, 30 Jahre später, denke ich anders. Die Ukraine hat mir gezeigt, was es bedeutet, wenn Menschen bleiben, weil sie keine andere Wahl haben.

    Ich will nicht kämpfen, weil ich das Schwert liebe.
    Aber ich würde verteidigen wollen – Werte, Freiheit, meine Kinder.

    Ich suche Jesu Antwort. Ich finde sie nicht eindeutig. Aber ich spüre, dass er mir diese Spannung nicht nimmt und dass genau darin die Wahrheit liegt.

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  6. Viele Frauen leiden unter der Gewalttätigkeit von Männern. Ich war deshalb sehr verwundert, als Ole Nymoen in einer Karolin-Kebekus-Show gleich von zwei Frauen wegen seiner Friedfertigkeit massiv bedrängt wurde.

    Statt von Ole Nymoen zu verlangen, sich zu entschuldigen, weil er friedfertig leben will – sollte man sich doch über den Geisteszustand von Menschen Gedanken machen – die zu Gewalt bereit sind und sich sogar freiwillig in einem Krieg umbringen lassen wollen.

    Die Schweiz hat dieses Jahr einen massiven Felssturz erlebt und auch in allen anderen Ländern der Welt ist die Klimaveränderung recht negativ zu spüren. Wir sollten auch überlegen ob es wirklich sinnvoll ist, unsere Umwelt durch Kriege noch weiter zu schädigen.

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