Less noise – more conversation.

 Lesedauer: 5 Minuten

Schöpferische KI: Kleine und grosse Konkreativitäten

Der originale Prompt für das Bild lautet: «Sharing creativity with one another, scientific photography with notes –chaos 20»

KI-Unbehagen

Ich wollte eigentlich einen kritischen Beitrag zu dieser Serie schreiben. Denn bei der Betrachtung von Bildern, die von einer KI wie Midjourney produziert werden, empfinde ich mehrfaches Unbehagen. Zum Beispiel: Was sagen eigentlich Künstler:innen dazu, dass ihre Kreationen von einem Programm weiterverwendet werden?

Oder: Um welche Form von Kreativität handelt es sich hier? Ist das nicht lediglich eine schwache Kreativität, bei der vorhandene Elemente neu kombiniert und – wie in einem Zufallsgenerator – neu arrangiert werden? Ab wann ist das kitschig? Will ich mich dem überhaupt aussetzen?

Kreative Ablenkung

Ich brauchte also nur noch ein passendes Bild, sozusagen als Alibi, um dann meine Vorbehalte loswerden zu können. Dachte ich. Denn als ich mich schlau machte, wie man nun vorgeht, was man an Befehlen eingeben kann, als ich dann gespannt auf die ersten Bilder wartete, da wurde ich abgelenkt. Ich erlebte, wie die KI meine Kreativität wachkitzelte.

Aus der kritischen Frage, wie kreativ eine KI sein kann, wurde die Erfahrung, dass Kreativität sich in Beziehung ereignet. Vielleicht begann ich deshalb mit Prompts zu spielen wie «God spilling creativity» oder «sharing creativity». Was dabei herauskam, erinnert mich an einige der schönsten Merkmale schöpferischen Handelns.

Schöpfung geht spielerisch und selbstvergessen

Das Bild zeigt zwei Kinder, die in viel zu grossen Arbeitsschürzen stecken. Sie spielen miteinander und mit dem, was sie erschaffen. Man mag ihre Freude und Lust gar nicht stören. Sie sind eingetaucht, ganz bei der Sache. Als hätten sie die Welt um sich herum vergessen. Und sie wirken ganz beieinander, als hätten sie sich selbst verloren an das gemeinsame Projekt.

Wozu soll das gut sein und dienen, was sie da gebaut haben? Mir dämmert, was die beiden antworten würden: «Keine Ahnung, haben wir noch gar nicht drüber nachgedacht.»

Das Bild deutet eine spieltypische Zweckfreiheit an, die aber keineswegs sinnlos ist.

Der drei-eine Schöpfer

Dass die schöpferische Gottheit in einem spielerischen Miteinander die Geschöpfe hervorruft, ist eine Idee, die sich schon auf den ersten Seiten der Bibel andeutet. Im Rahmen einer trinitarischen Gottesvorstellung ist sie bemerkenswert schön ausformuliert worden.

Schöpferische Leichtigkeit

Im Gegensatz zu anderen Schöpfungsmythen lassen die biblischen Schöpfungserzählungen die Welt nicht aus einem Kampf der Götter und Göttinnen hervorgehen.

Geradezu spielerisch, leicht und künstlerisch agiert Gott durch sein Wort und seinen Geist.

Die Psalmen besingen den Finger, mit dem Gott geschaffen hat, und sehen ihn spielen mit den grossen Walen. Die Weisheit Gottes gilt als die lustvolle Gespielin beim Akt der Schöpfung.

Konkreative Gottheit

Vater, Sohn und Geist erschaffen in dreieiniger Synergie. Ein uneigennütziges, selbstvergessenes und verschwenderisches Miteinander vor lauter Lust, das Leben und die Liebe zu teilen, sogar mit etwas, das ganz anders, nämlich Kreatur ist.

Gottes Kreativität ist nicht die Allmacht und der Genius eines Einzigen. Sie kennt weder Neid noch Selbstbehauptung. Sie ereignet sich partizipatorisch und konkreativ – das ist einer der Clous der Trinitätslehre.

Gott-Mensch Konkreativität

Die Spekulation über eine Gottheit, die immer konkreativ am Werk ist, ergibt sich vielleicht aus einem Staunen:

Der Schöpfer ermächtigt seine Geschöpfe dazu, eigenständig schöpferisch zu handeln. Göttliche Kreativität verschenkt sich, und dies so, dass sie sich von der Kreativität ihrer eigenen Geschöpfe berühren, bewegen und überraschen lässt.

Die Bibel berichtet, wie Gott mit der Erschaffung der Welt weitermacht, indem er bereits vorhandenes Material benutzt und sowohl Mensch als auch Erde mitschaffen lässt. «Die Erde bringe hervor …!» Ganz gespannt wartet er drauf, welche Namen der Mensch den Tieren geben wird, wie seine menschlichen Ebenbilder nun die ganze Erde in einen Garten verwandeln werden.

War das nicht riskant?

Kreativität authentisch zu teilen, sie frei- und loszulassen, so dass sie in überraschender und unkontrollierbarer Weise auf ihre Geberin zurückwirkt, das ist riskant. Wer weiss, was da alles zurückkommt, etwa an zerstörerischen Kreationen? War Gott etwa naiv? Oder enorm selbstbewusst und verwegen? Der katholische Theologe Hans Urs von Balthasar hat in diesem Sinne einmal über Gottes Schöpfungsakt spekuliert:

«… als hätte er als Schöpfer mit sich selbst gewettet, daß er das scheinbar Unmögliche durchführen kann: in sich stehende geschöpfliche Freiheiten schaffen und sie trotzdem nicht verloren gehen lassen.»

Mensch-KI Konkreativität

Die beiden Kinder scheinen auf dem Bild kreativ mit dem, was sie geschaffen haben zu interagieren. Werden sie zu weiteren Schöpfungen angestiftet und inspiriert? Das Bild steckt voller kleiner konkreativer Beziehungen, auch im Verhältnis von Mensch und Maschine.

Ich würde die eben angedeuteten Fäden gerne zu Ende spinnen und mich ein wenig freimachen von der Angst, dass die – wie auch immer näher zu bestimmende – Kreativität von Computern und Programmen in Konkurrenz zu menschlicher Kreativität steht oder diese gar verdrängt.

Denn ein Bot wie Midjourney hat ja bereits ein Übermass an menschlicher Kreativität im Rücken. Und noch bevor er die im Rahmen seiner Möglichkeiten zurückgibt, wirkt er bereits bei seiner Entwicklung auf den Menschen zurück. Denn wenn wir Computer so menschlich und kreativ wie möglich programmieren wollen, müssen wir uns erneut klar werden, was denn nun menschlich ist.

Ist es nicht eine Höchstleistung unserer Gottebenbildlichkeit, dass wir Programme mit kreativen Möglichkeiten ausstatten, um dann zu erleben, dass sie uns helfen kreativ zu sein?

Zumindest ein wenig habe ich es so erlebt.

Alle Beiträge zu «Schöpferische KI»

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

RefLab regelmässig in deiner Mailbox

RefLab-Newsletter
Podcasts, Blogs und Videos, alle 2 Wochen
Blog-Updates
nur Blogartikel, alle 2 bis 3 Tage