Dein digitales Lagerfeuer
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Ist der Theismus noch zu retten?

Traditionelle Vorstellungen von Gott haben spürbar an Plausibilität verloren. Gelingt es überzeugend, Gottes Liebe und Allmacht mit dem Leiden in dieser Welt logisch und begründet zusammenzudenken?

Für Offene Theisten ist das nur möglich, wenn Gottes Allmacht radikal von der Liebe Gottes her gedacht wird. Liebe setzt frei, lockt und regt an, zwingt und nötigt aber nie. Auch für Gott ist die Welt ein Abenteuer – wie für uns Menschen. Das bedeutet aber auch: Wir können von Gott nicht mehr behaupten, dass er den Verlauf des Weltabenteuers kennt und zum Ziel bringen kann. Kann ein solcher Neuansatz gelingen?

So ganz einig werden sich die drei Gesprächspartner in dieser Frage nicht…

8 Gedanken zu „Ist der Theismus noch zu retten?“

  1. Zunächst einmal ist Gott unpersönlich. Er ist das “Leben an sich”. Auf dieser unpersönlichen Grundlage existier(te) alles, was war, ist und sein wird. Nur in dem Sinn, dass diese Grundlage ununterbrochen aktiv ist, kann man von einem “Eingreifen Gottes” reden. Das “Eingreifen” richtet sich nach dem, was dem Menschen unter bestimmten Bedingungen bewusst werden kann bezügl. der Ursachen des Unheils und des Heils, denn je mehr er diesbezüglich erkennen kann, um so mehr kommt er in Einklang mit der höheren bzw. höchsten Realität. Heute können wir erkennen, dass der Tod eine Illusion ist, und deshalb jeder Mensch die Welt prinzipiell überwinden kann. Das geschieht natürlich nicht in einem einzigen Erdenleben, sondern geschieht, wie alle bisherige Entwicklung des Menschen, durch mehrere Erdenleben. Diejenigen, die diesen Fortschritt ablehnen und lieber auf Technik und Naturwissenschaft vertrauen oder lieber in ihren Trieben und Begierden gefangen bleiben wollen (weil es sich darin so gut leben lässt), können natürlich nicht erlöst werden, sondern bleiben zurück.
    https://www.academia.edu/119234746/Aufruf

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  2. es hat zwar lange gedauert, bis herauskam, was offener theismus ist – dann kam es aber auf noch nie dagewesene weise heraus. ein update auf das noch nie dagewesenere: auf das schauen, was von gott sichtbar geworden ist, sagt luther, und nicht über allmacht, vorsehung und allwirksamkeit spekulieren. das wurde in deutschland besonders in den 70ern aktuell. einerseits verstehe ich, dass man nicht sagen wollte, die konzentrationslager seien von gott her gekommen. andererseits fand ich im alten und neuen testament beides und erst noch durcheinander: der allwirksame führt menschen in die falsche richtung und wirft ihnen dann vor, sie hätten etwas falsch gemacht. das geht nicht ohne weiteres zusammen. vielleicht so, dass man beides so vermittelt, dass der vorwurf an die menschen ebenfalls im sinne der allwirksamkeit verstanden wird. als eine weitere determinante in der gesamtdetermination. nein, nicht die welt als maschine, die besteht ja aus metall. auch eine kuss kann eminente konsequenzen haben. aber paulus spricht es ja aus, indem er in 1kor 13.8-13 impliziert, dass unser aktuelles erkennen unvollkommen ist und früher oder später durch ein vollkommenes erkennen abgelöst wird. “alles aus allem” ist, finde ich das vollkommene als wort, nicht ohne weiteres als erfahrung. “alles kommt von gott”, sagte ich 1978. eberhard jüngel, mit seiner “atheistischen” version, wie er sie nannte, widerprach mir. war dann jedenfalls der meinung, man dürfe das nicht sagen, weil er es offenbar für unzumutbar hielt. kann sein, kann aber auch erlösung sein. “ich weigere mich, die frage nach dem bösen zu beantworten!” die professionellste äusserung – in der von jüngel bekannten starken, unangestrengten emotion – , die ich damals vernommen habe,, die die möglichkeit einer antwort nicht leugnet. jürgen moltmann, der selbst im schützengraben war, sagte: “wer das (was ich sagte) sagt, macht ihn zu einem sadisten!” das sind möglicherweise zwei erscheinungsformen des offenen theismus, der – als opposiotion zu calvin – wohl irgendwie auf luther und paulus (nicht wissen – es sei denn den gekreuzigten, 1kor 2.2, eine ernsthaftigkeit, die “abenteuer” wohl ausschliesst) zurückgeht und sich als ablehnung oder nicht-thematisierung eines transzendenten weltlenkers manifestiert. später kam ich darauf: es gibt offenbar die theorie (vgl auch kant, die theoretische vernunft) und das existentielle und emotionale leben. beides unvollkommene “teile” (paulus), die früher oder später abgetan werden, “damit gott sei alles in allem”. (15.28) und nicht nur “alles in allem wirkt”, wie luther sagt, was das neue testament im zuammenhang mit dem wirken des geistes in der gemeinde und wohl guten kräften sagt. (1kor 12.6) in 15.28, dem letzten wort des neuen testaments, wie ich es nenne, ist dann der dualismus von gott und schöpfung aufgehoben: verneint, aber auch bewahrt, indem das aus sich selbst und mehr als person seiende als ursprung seiner selbst, dh von allem, einer menschlichen person verglichen werden kann, die etwas schafft, und als entsprungenes ihrer schöpfung – aber nicht muss. jüngel legte wert darauf, dass theologie keine theorie sei. schon sehr konsequent! meine spätere frage mitte 80er in der vorlesungspause, was das zitierte wort (15.28) denn heisse, konnte er nicht beantworten. daraus “alles aus allem”. das böse aus der summe aller einzelnen, nicht aus ihrer vereinigung. das zusammenfallen von prinzip und person. und das leiden nicht als das letzte wort, sondern die aus der nahtoderfahrung bekannte wunderbare erfahrung, auferweckung, in der, wie ich annehme, alles vorangehende als qualifiziert erfahren wird, anerkannt und vollständig verarbeitet werden kann. meine opposition gegen die meines erachtens einseitigen auffassungen der beiden professoren ging auf eine erleuchtungserfahrung, ebenfalls 78, zurück, die ich nachher so interpretierte: wir bewegen uns nicht selbst, wir werden bewegt, und sei es dazu, uns selbst zu bewegen. nur dass wir es, verblendet, nicht merken. eben alles aus allem. dh auch aus uns. grundlegender aber aus allem. was uns die ökologie einzusehen beschwört. der theismus ist heute so viel und so wenig zu retten wie zu paulus’ zeiten. er hat im vollkommenen seine entsprechung, das aber die rettung aus dem dualismus ist. atheismus als freie beziehung zum theismus. gott bleibt ansprechbar wie ein verein durch die, die zu ihm gehören. ihr sagt, dass gott liebt, aber nicht, dass “gott liebe ist” (der das 1joh 4.6 sagt, hat auch eine ahnung davon, dass wir noch etwas anders sind als kinder eines vaters sind, vgl 1kor 13.11, was auch jesus ins gästebuch geschrieben sei): die alles verändernde vereinigung von allem in ihrem werden und sein, die nicht auf die jüdisch-christliche tradition beschränkt bleibt. hoffnung ist sekundär und bleibt zweideutig: es gibt auch falsche hoffnungen, die grausam sein können. im anfang ist die im tod des todes, der überwindung jeder trennung, begründete verheissung der vereinigung vom allem. “weil die welt, obschon inmitten der weisheit gottes, gott in seiner weisheit nicht eraknnte” (1.21, übers. e.jüngel, zit adg): die torheit der predigt. offener theismus als theologie, die uns von dem, was wir “im licht der vernuft und der offenbarung nicht verstehen, erst im glorienlicht” (e.jüngel) verschont. ja und nein. offenbarung geschieht wann, wo und wie sie will.

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  3. Für mich stehen der Offene Theismus, die Prozesstheologie und auch die klassische Sichtweise über Gott in einem klaren Patt zueinander. Jede Strömung hat ihre Stärken und Schwächen. Mich macht das Ganze einmal mehr demütig.

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    • Danke für die Einschätzung, die ich gut nachvollziehen kann. Wir werden in den nächsten Folgen und Beiträgen an dieser Stelle noch einmal weiter diskutieren. LG, Thorsten

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  4. Hmm…der Gott des Offenen Theismus und der Prozesstheologie ist mir, wenn ich es richtig verstanden habe, ehrlich gesagt immer noch zu viel System, zu sehr das wie auch immer höchste Seiende.
    Das deus revelatus/absconditus fand ich eine interessante Spur. Könnte man den Offenbarten Gott nicht als den intentionalen Bezug des Menschen auf die Geschichte Jesu Christi deuten? Quasi, dass man bei der reinen Intention stehen bleibt und sich verwehrt, auf ein dahinterliegendes Seiendes zu rekurrieren? Es ist erst einmal Intention und nichts als Intention. Der verborgene Gott wäre dann die Weltwirklichkeit, wie wir sie ohne den “Einbruch” des offenbaren Gott intentional erleben. Gott ist in der Weltwirklichkeit verborgen und bricht als Revelatus immer wieder (primär als reine Geschichte, sekundär als Deutungen dieser Geschichte) als intentionales Bezugsgeschehen (und, wie gesagt, erst einmal nur als dieses und nicht als etwas, das “von oben” als höchstes Seiendes hereinbricht) des gläubigen Menschen in diese ein und verwandelt den Weltbezug.

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    • Vielen Dank für die Überlegung, der ich viel abgewinnen kann. Wir werden das sicher noch vertiefen! Gerade “verborgener Gott” ist eine schillernde Kategorie, die biblisch und theologischgeschichtlich unterschiedlich gebraucht wird. Und erst einmal unterscheiden zwischen Gott selbst und unseren Gedanken zu ihm ist immer wesentlich, auch wenn man am natürlich weiterdenkt… LG, Thorsten

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  5. Ein weiterer interessanter Ansatz zur Theodizeefrage könnte bei Martin Thoms gefunden werden (“Der gottverlassene Gott”). Er geht das Problem von einer ganz anderen Seite an…

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  6. Spannende Diskussion: Klassischer Theismus, offener Theimus, Prozesstheoligie alles spannende Gedankengymnastik aber wohl eben von Menschen mit ihren je eigenen Bedürfnisse gemacht: Machtstreben, Gewissheit, Verarbeitung eigener Leideerfahrungen… auf dem Spielfeld des Lebens oder in der Gemeinde nur bedingt anwendbar ohne banal zu werden…
    Zur Allwissenheit Gottes: Dalferth bzw Härle hat das in seiner Dogmatik gut gezeigt: wird Allwissenheit wirklich konsequent gedacht, kennt Gott den Ausgang jeder meiner Entscheidungen und kann dementsprechend Reagieren; siehe dazu die Serie Darkmatter: es gibt unzählige Paralleluniversen die Gott eben alle kennt und lenkt…
    Weil das eigentlich deshalb in der Dogmatik schon lange bekannt ist, war und bin ich über den Hype über den offenen Theismus erstaunt- eigentlich nix neues- aber was ist das schon😉

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