Less noise – more conversation.

 Lesedauer: 3 Minuten

Himmlisches Zeugs: Schnee(schaufeln)

«Welchen Beitrag will ich als nächstes für unsere Blogserie hier schreiben?» Noch während die ersten Ideen eintrudeln, schaue ich aus dem Fenster. Huch! Was draussen vom Himmel fällt, landet kristallklar in meinem Herzen: Schnee … das himmlische Zeug par excellence! Passt wie blog auf Serie. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht: «Hereingeschneit, all ihr guten Wintermomente.»

Die zarteste Störung, seit es Weltunterbrechungen gibt

Meine kindliche Freude am Schneefall nutzt sich bis heute nicht ab. Damals war es die Hoffnung, dass der Schneepflug nicht mehr durchkommt und ein herrliches kleines Chaos entsteht. Keine Schule, dafür den ganzen Tag draussen, auf dem Schlitten, im Iglu, bis wir vor lauter Durst den Schnee im Mund schmelzen liessen. Die steile Strasse machten wir gemeinsam noch glatter als sie eh schon war. Mit heller Freude empfingen wir die durchdrehenden Autofahrer, um sie hochzuschieben. Und wenn sie uns ein paar D-Mark durchs Fenster reichten, teilten wir die Beute später johlend auf.

Mit dem Schnee kam ein «great reset», frei von Verschwörungen, ohne Lärm noch Gewalt, dafür zärtlich und zugunsten froher Kinderherzen.

Grossgewordenes Kindergebet aus der Not der Zeit

Der Schneefall, den wir als Kinder förmlich herbeibeteten, kommt mir heute wie eine erwachsen gewordene «Gebetserhörung» vor. Wir teilen sie miteinander als verborgene Antwort auf unsere kollektive Zeitnotrufe.

Denn wie von selbst entsteigen dem hochgetakteten Leben die Stossseufzer danach, einmal stehen bleiben zu dürfen. Einfach mal Pause zu machen von der analogen und digitalen Permanenz.

Aber die Logik, den Lebensspeed zu halten, am besten noch zu steigern, scheint so zwingend, dass wir die guten Gründe für heilsame Selbstunterbrechungen wegrationalisieren. Und dann wird – zärtlich und leise – die Weltbetriebsamkeit zugeflockt und unterbrochen. Der Grund, für ein paar Stunden oder länger anders ticken zu dürfen als normal, ist uns vor die Füsse gefallen. Wer es sich leisten mag, fällt mit, nämlich aus der Zeit, um gerade so mal aus der Zeitfalle zu steigen.

Sich frei- statt zuschaufeln

Das weisse Zeug muss weg. Nur angenehm ist das nicht, vor allem wenn der Schnee sulzig und schwer ist. Aber mit der Schneeschaufel in der Hand, können die tollsten Sachen passieren. Ich komme raus und höre, wie still es ist – Noise-Cancelling ohne Kopfhörer? Nicht ganz, weil ich ein neues Geräusch mache, unverwechselbar: Das Schrappen meiner Schaufel. Die Nachbarn machen auch mit, und irgendwann animieren uns die Kinder zu den tollsten Schneehaufen, Mauern und Gassen. Man sieht, wie die Erwachsenen zusammenstehen und sich auf die langen Schaufelstiele stützen. Eine heisse Schoggi oder ein Glühwein, wer hat Lust? Spontan verabreden wir uns, und als der Campusgärtner auf seinem Schneepflug vorbeikommt, schiebt er uns das Fundament für eine riesige Schneebar zusammen. In den kommenden Stunden wird sich der Platz in eine Kulturlandschaft verwandeln.

Die Schaufeln gehen von Hand zu Hand – ein Ritual, dass wir sonst nur vollziehen, wenn wir traurig die Gräber der Verstorbenen zuschaufeln.

An diesem Abend schaufeln wir uns frohlockend ins Leben und feiern es bei Kerzenlicht an einer duftenden Bar.

Und Dein Schneegestöber?

Schnee und Schaufel … eine «Weltanverwandlung» (Hartmut Rosa) zum Dahinschmelzen. Was für ein Gestöber an verschwenderischer Kreativität, Schönheit und Lebensfülle! Es liegt in jeder einzelnen Schneeflocke verborgen, sanft und vergänglich. Wir müssen mit der Schneeflocken-Forschung nur genau hinschauen. Was wie milliardenhafte Massenware vom Himmel aussieht, sind in Wahrheit alles Unikate, die auf ihrem luftigen Kunstflug in einzigartiger Weise kristallisieren.

«Vermutlich sind niemals zwei vollkommen gleiche Eiskristalle vom Himmel gefallen» (Peter Carstens).

Und vermutlich hast auch Du unverwechselbare Schneemomente zu erzählen, durch die Du unser himmlisches Zeugs hier vermehren könntest.

Photo by Jill Wellington from Pexels

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