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Die aufregende Biografie des Zeitgeistes

Warum das wirklich aufregend ist? Im geschichtlichen Rückblick zeigt sich: Immer dann, wenn sich die Kultur in einem rasanten Wandel befindet, nimmt auch die Rede vom Zeitgeist Fahrt auf. «Zeitgeist» scheint erst mal nichts anderes als ein hilfreiches Tool zu sein, das zur Verständigung über unsere Gegenwartskultur dient. Wie aber wird aus der Zeitdeutung eine Zeitkritik, die – im Extremfall – dem Zeitgeist alles in die Schuhe schiebt, was kulturell vermeintlich schiefläuft? Oder stecken hinter dem Zeitgeist die kollektiven Sehnsüchte nach neuen kulturellen Formaten, in denen das Leben wieder aufblühen kann? Dann wäre Zeitgeist so etwas wie Zeitansage. Seine Biografie bleibt spannend und offen.

7 Gedanken zu „Die aufregende Biografie des Zeitgeistes“

    • We love it too! Es ist die reine Freude, echter Gewinn und grosse Ehre, wie Du unser Dossier “Zeitgeist” begleitest und dabei mitmachst. Danke

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      • Auch ich bin voller Begeisterung am zuhören und freue mich jedes Mal auf eure geistreichen, inspirierenden Gedanken. Thanks, ihr zwei…

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  1. Sehr interessant.
    Es freut mich auch sehr, dass ihr Zeitgeist und Berner Geist aufgenommen habt. Übrigens lobt Bonhoeffer in Widerstand und Ergebung speziell dieses Buch, wo er in den Liberalen offenbar eine prophetische Vorwegnahme der Nazis findet.

    Trotzdem würde ich Gotthelf nicht nur bei der SVP verorten. Er war offenbar auch grün. Zum Beispiel in Wassernot im Emmental, was ich leider noch nicht gelesen habe, nehme er grüne Ideen vorweg.

    Ss gibt klischeeartige antisemitische Stereotypen. Richtig. Trotzdem fände ich ihn auch gut als Gegenmittel gegen Antisemitismus. Die siebte These von Seelisberg heisst doch ungefähr : Es war schon immer die christliche Lehre, dass die jüdische Elite und die Römer Teil nur als Teil der gesamten Verlorenheit der Menschheit gelten. Gegen Antisemitismus zu kämpfen, hiesse dann, die eigene Bosheit nicht auf andere zu projizieren, sondern in erster Linie bei sich selbst zu sehen. Und dabei hilft Gotthelf enorm. Das eindrücklichste Beispiel steht im Bauernspiegel, wo er das Vorgehen des Gerichts, unterstützt durch die Bevölkerung, gegen den armen Verdingbub Jeremias als Wiederholung der Kreuzigung Christi beschreibt. Für diejenigen, die den Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstehen, schreibt er: sie zerrissen zwar nicht seine Kleider, aber sprachen: was bedürfen wir weiteres Zeugnis? Was gibt es für eine eindringlichere Illustration für Paul Gerhards: Ich, ich hab es verschuldet, was du getragen hast. Peter von Matt meinte, niemand habe die eigene alltägliche Bosheit so eindringlich dargestellt wie Gotthelf.

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    • Lieber Peter, Vielen Dank für Deine Ergänzung! Ich bin mir auch sicher, dass sich bei Gotthelf auch heute noch sehr viel für eine Vermittlung des Christentums lernen lässt, alltagsnah und tiefgründig, ohne theologische Formelsprache und zugleich substanziell. Vor allem die Uli-Bücher und Die schwarze Spinne fand ich da sehr anregend; da werde ich sicher noch mehr lesen. Zeitgeist und Berner Geist – fand ich doch etwas karikierend und klischeegesättigt. Es gibt eine kritische Besprechung von Gottfried Keller, die mir durchaus einleuchtet.
      Bonhoeffer wird sicher nicht den Liberalismus als Vorwegnahme der Nazis empfunden haben, sondern in der überspitzen Zeichnung des Radikalismus die Gruppendynamik, den sozialen Druck gefunden haben, der ihm aus der Nazizeit wohl bekannt vorkam. Und das ist sicher eine Stärke in Zeitgeist und Berngeist. Und zum Antisemitismus denke ich auch, dass es da Gegengifte bei Gotthelf gibt. Leider ist es wohl so, dass alle theologischen Strömungen bis ins 20. Jh. hinein Punkte haben, die wir heute aus Gründen kritisch finden. Danke für die Anregung, an Gotthelf bleibe ich gerne dran! Liebe Grüsse, Thorsten

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      • Guten Tag Thorsten

        Danke für die Replik. Weitgehend einverstanden. Dieser Roman steht bei mir auch nicht zuoberst. Ich finde vor allem den Bauernspiegel und die Anna Bäbi Romane theologisch interessant. Ueli diesbezüglich etwas konventionell.

        Liberalismus: Gotthelf lässt schon im Schulmeister einen wahrscheinlich liberalen Lokalpolitiker auftreten, der meint: Religion bräuchte es ja nicht, wenn da die fatale Ewigkeit nicht wäre. Das sind so Nebengeräusche (du nennst Gruppendynamik), für die Gotthelf ein Auge hatte und mit Liberalismus inhärent wohl wenig zu tun haben. Und die werden dann sehr überspitzt in Zeitgeist und Berner Geist gezeichnet.
        Übrigens gibt’s die interessante Geschichte „der Druide“, die eine Umschreibung des Bellum Gallicum von Caesar darstellt. Der Druide kämpft in vorchristlicher Zeit vergebens gegen den verderblichen Zeitgeist. Das Konzept des Zeitgeistes ist bei Gotthelf also durchaus etwas zeitlos…

        Liebe Grüsse Peter

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        • Lieber Peter,
          Danke für die anregenden Hinweise, sehr schön, das macht Lust auf mehr! Ich nehme mir für den Sommer den Bauernspiegel vor. Liebe Grüsse, Thorsten

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