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Darum Pfingsten

Pfingsten ist im Festkalender des Kirchenjahrs zusammen mit Auffahrt das etwas vernachlässigte und missratene Stiefkind. Mit Weihnachten und Ostern haben wir uns arrangiert: Tannenbäume, Kerzen, Krippen, Geschenke, Schoggihasen und Ostereier versüssen uns diese Tage, die viele im Kreis der Familie feiern. Dass Christus geboren wird und folglich Gott auch „nur“ ein Mensch ist oder dass das Sterben und  der Tod das Leben nicht beschliessen – damit kann man unterschiedliches aber meist doch irgend etwas anfangen. Aber Christus der in den Himmel hinauffährt oder der Heilige Geist, der sich über die Jünger*innen verteilt: Was haben wir damit zu tun?

Das Christentum wächst pfingstlich

Pfingsten hat zudem zwei Makel: Es ist sozusagen der Geburtstag der Kirche und der Beginn der Mission. Erstere ist wegen Letzterer in den vergangenen zwei Jahrhunderten gehörig unter Druck geraten. Mission, das klingt nach Kolonialismus, Gewalt und Fundamentalismus. Mission, das liegt doch hoffentlich hinter uns. Begraben in der Mottenkiste der Geschichte. Gleichzeitig  zeigt ein Blick über die westeuropäischen Grenzen, dass das wachsende Christentum durchaus missionarisch und fundamentalistisch ist und sich selbst als „pfingstlich“ versteht. Ja, die Protestant*innen werden immer zahlreicher. Aber eben eher die pfingstlich-charismatischen und weniger die aufklärerisch-rationalen.

Lebensumstände

Pfingsten könnte also auch das Triumphfest des Irrationalen über die Vernunft, der Religiosität über das Wissen oder des Erlebens über das Nachdenken sein. Und man müsste dann hoffen, dass da eher ein Unentschieden oder wenigstens nur ein ganz kleiner Sieg gefeiert wird. Oder wir interpretieren Pfingsten anders. Das wäre nicht ungewöhnlich. Religiöse Deutungen ändern sich, setzen andere Akzente und aktualisieren die Traditionen für die Gegenwart. Gerade Pfingsten ist ein solcher Aktualisierungsversuch.

Das Pfingstfest findet 50 Tage nach Ostern statt. Ostern, das Fest der Auferstehung und des Sieges des Lebendigen über den Tod, haben die Christ*innen auf das Pessachfest gelegt, an dem der Befreiung der Israelit*innen aus der ägyptischen Sklaverei gedacht wird. Das Pfingstfest – 50 Tage danach – fällt auf das jüdische Fest Schawuot.  An Schawuot wird dem zweiten Empfang der 10 Gebote gedacht. Pessach und Schawuot, das ist Freiheit und Tora in 50 Tagen. Aber was hat Pfingsten mit Schawuot zu tun?

Bis wir leben können

Mit den Ordnungen, Geboten und Gesetzen ist das so eine Sache: Nur weil sie richtig sind, halten wir uns noch lange nicht daran. Weil aber diese Vorschriften dem Menschen dienen sollen und nicht der Mensch diesen Vorschriften, kann es keine wahre Ordnung, keine guten Gebote oder richtigen Gesetze geben, wenn die Menschen sie nicht auch einhalten können. Gott selbst ist daran mit der ersten Version seiner 10 Gebote gescheitert. Und seine Propheten sind an der 2. Edition beinahe verzweifelt.

Aber er hat gelernt! Seine Gebote dürfen, sollen sie wirken, nicht dem Menschen gegenüber stehen. Das kann er nur selbst. Als eine von uns. Das Gesetz, das Recht und die Gerechtigkeit können nicht die Beziehung zwischen Gott und Mensch regeln. Sie müssen aus dieser Beziehung selbst erwachsen. Genau das sagt Pfingsten.

Gott ist nicht hier. Er ist in dir.

Und die Kirche? Und die Mission? Es gibt Kirche – nach Pfingsten – dort, wo Menschen auf diese Stimme in sich hören und sich um das, was sie gehört haben, versammeln. Gemeinsam gehen sie den Stimmen, die sie hören, nach. Mission – nach Pfingsten – ist eine Hör-Hilfe. Und das geht am besten leise. Oder still.

Photo by Rodrigo Santos from Pexels

1 Kommentar zu „Darum Pfingsten“

  1. Jürg Wildermuth

    Dass heuer der Pfingstsonntag der erste Sonntag war, an dem wieder ein Gottesdienst öffentlich und mit physischer Präsenz der Gemeinde gefeiert werden konnte, machte aus dem „Stiefkind“ ein Freudentag. Was aber hat Pfingsten mit dem Geburtstag der Kirche zu tun? Eher scheint mir, dass die Ereignisse von Ostern der Anlass waren, dass die Jüngerinnen und Jünger sich sammelten. Pfingsten, wie Lukas es beschreibt, wäre da eher die Taufe der Kirche mit dem Heiligen Geist, als deren Geburtstag.

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