Dein digitales Lagerfeuer
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Du bist selber schuld!

Während Stephan sich über sein ungefragt verlängertes Fitnessabo ärgert und Manuel seine Tochter bezahlt, um 3’000 Fussnoten im Manuskript seiner Dissertation zu überarbeiten, geht’s im Podcast um Größeres:

Die Welt brennt – und viele von uns haben das Gefühl, wir müssten sie im Alleingang löschen. Auslöser der Diskussion ist ein Blogbeitrag von Stephan, der sich unter dem Titel «Kirche, KI und Klima» mit der Frage beschäftigt, wie sinnvoll es eigentlich ist, dem Einzelnen die Schuld für globale Krisen wie Klimawandel, Krieg oder Armut in die Schuhe zu schieben. Wird uns hier nicht eine Rolle aufgedrängt, die vor allem den wahren Verursachern – etwa Konzernen oder politischen Systemen – gelegen kommt?

Ein Paradebeispiel: der «ökologische Fussabdruck», einst von einer PR-Agentur für den Ölkonzern BP entwickelt, um die Aufmerksamkeit weg von fossilen Industrien und hin zum Konsumverhalten jedes Einzelnen zu lenken. Statt strukturelle Lösungen zu fordern, zählen wir Bonuspunkte fürs Vegi-Menü.

Aber was dann? Die Verantwortung abschieben? Resignieren? Nein – Stephan bringt den Begriff der Hoffnung ins Spiel. Gemeinsam fragen die beiden, welche Formen von Hoffnung uns helfen, nicht im Schuldgefühl zu versinken – aber auch nicht in Gleichgültigkeit oder billiger Weltflucht. Was bedeutet christliche Hoffnung inmitten von ökologischen, politischen und sozialen Krisen?

Eine Folge über Verantwortung und Verdrängung, über Fussabdruck und Fingerzeigen – und über eine Hoffnung, die mehr kann als beruhigen.

 

Das Buch von Wolfgang M. Schmitt und Ann-Kristin Tlusty unter dem Titel “Selbst schuld” könnt ihr hier bestellen – oder überall, wo es Bücher gibt! Und wer Schmitt und Schmid mal live im Gespräch erleben möchte: unbedingt Tickets fürs RefLab-Festival sichern!

Zur Tagung zum Thema «Spiritueller Missbrauch», die Stephan zum Schluss der Folge erwähnt, gibts hier weitere Infos.

7 Gedanken zu „Du bist selber schuld!“

  1. Der Klimawandel ist aus soziologischer Sicht nicht einfach das Ergebnis individueller Fehlentscheidungen, sondern das Produkt von Strukturen: ein Wirtschaftssystem, das auf Wachstum, billige Energie und globale Lieferketten setzt – und dadurch klimafreundliche Entscheidungen erschwert. Selbst Menschen mit bestem Willen bewegen sich in Rahmenbedingungen, die schädliche Optionen begünstigen – oft ohne es zu wissen oder zu wollen.

    Die Verantwortung auf Einzelpersonen zu schieben, lenkt vom eigentlichen Kern ab: fossile Industrien, internationale Handelsabkommen und staatliche Infrastrukturpolitik. Um jedoch kollektiv handeln zu können und Systeme nachhaltig zu verändern, braucht es viele Menschen mit Bewusstsein für das Problem – nur so lassen sich wirksame Gesetze durchsetzen. Freiwillige Nachhaltigkeitsberichte zeigen leider wenig Wirkung; gesetzliche Vorgaben hingegen steigern nachweislich Unternehmenswerte und zwingen zu Innovation. Meines Erachtens wäre es auch fairer, wenn sich alle beteiligen müssten, nicht nur die mit dem schlechten Gewissen (die oft gar nicht das Problem darstellen), die ein besonders moralisches Gespür haben oder Erziehung genossen haben…

    Ein weiteres Problem der Fixierung auf individuelles Handeln ist, dass die damit verbundene moralische Überhöhung schnell zu Frust und Spaltung führt – wie etwa in der Flugdebatte und Menschen in ihrer Freiheit moralisch einschränken wollen. Das führt schnell zu Krieg (der uns nur so nebei auch täglich enorm viele Ressourcen kostet – alleine wenn wir fünf Tage alle Militärausgaben stoppen würden, könnte man die ganze Welt für ein Jahr ernähren…). Es gibt zudem in der Nachhaltigkeit oft Zielkonflikte zwischen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Dimensionen. Für eine armutsbetroffene Familie auf dem Land wäre eine Erhöhung des Benzinpreises eine große Belastung, auch wenn sie ökologisch sinnvoll wäre. Gleichzeitig trifft eine solche Steuer die größten Verbraucher meist am wenigsten, während sie für wirtschaftlich Schwache einen echten Verzicht bedeutet.

    Wenn man an die strukturelle Verantwortung glaubt, bleibt jedoch dennoch eine individuelle Frage am Schluss: Wären wir bereit, Gesetze zu akzeptieren, die unser Leben (kurzfristig) unbequemer machen, um langfristig eine nachhaltige Zukunft zu sichern?

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    • Ja, genau das ist die Frage. Und ich muss sagen: Eben weil ich die Schwachheit, Versuchlichkeit, Trägheit, Knausrigkeit des Menschen sehe (auch meine eigene), wäre ich froh um Gesetzgebungen, die bestimmte Entscheidungen abnehmen oder zB ökologisch fatale Dinge so teuer machen, dass man es sich besser überlegt…

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  2. Ketzerische Frage: War nicht die Verkündigung eines gewissen Jesus von N. schwer individualistisch? Hat er nicht (z.B. im Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner) insinuiert, dass der Einzelne sehr wohl einen ethisch entscheidenden Unterschied machen kann? (Mal ganz abgesehen davon, dass er selbst – also der Zimmermann aus Nazareth – durchaus einen Unterschied gemacht hat in der Welt.) Hat er nicht jeden seiner Hörer und jede Hörerin unmittelbar in die Verantwortung gerufen (Umkehr)? Dass das für eine Ethik alles noch nicht hinreichend ist, ist klar, weil u.a. die institutionenethische Perspektive fehlt. Aber dieses Kleinreden der individuellen Verantwortung aus Theologenmund finde ich äusserst befremdlich. Rassismus ist auch ein strukturelles Problem. Dennoch haben Indidviduen wie John Lewis, Rosa Parks und Martin Luther King einen Unterschied gemacht.

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    • Danke Christoph – ja, das ist eine gute und berechtigte Rückfrage! Persönliche und kollektive Verantwortung sollten sich wohl nicht gegenseitig ausschliessen, sondern ergänzen und verstärken. Der Impuls von Schmitt/Tlusty macht einfach deutlich, dass es eine perfide, strategische Verantwortungsverschiebung von systemischen Problemen auf das Individuum gibt, die zur Entschuldung von Konzernen und Politik funktioniert. Diese Mechanismen zu durchschauen finde ich schon wichtig, auch wenn man dann nicht leugnet, dass der Einzelne auch Verantwortung trägt.

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  3. Danke Euch für diese Folge! Eine kleine Ergänzung: Stephan weist darauf hin, dass vor der Aufforderung, sich die Welt untertan zu machen, die Einladung steht, allem einen Namen zu geben: wer einen Namenhat, wird ein Gegenüber, ein vertrautes Wesen, dem ich keinen Schaden zufügen will, weil es mir ans Herz gewachsen ist. Wenn ich beim Namen gerufen werde, möchte ich damit rechnen, dass ich beim Rufenden in Sicherheit bin. Jes 43,1 sagt Gott: “Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst zu mir.” Wer die Welt in diesem Sinne verwaltet, kann ihr nicht schaden wollen! In sofern bin ich mit eurem Fazit sehr einverstanden. Doch Stephans “Amen” “niemand ist schuld” geht wohl so einfach auch nicht auf…

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  4. “Wer die Welt in diesem Sinne verwaltet, kann ihr nicht schaden wollen!”

    Was inzwischen jedem klar geworden sein sollte ist, dass diese zeitgeistlich-reformistische Welt aber in der heuchlerisch-verlogenen “Ökonomie” von unternehmerischen Abwägungen zu “Arbeit macht frei” konfusionierend verwaltet wird – Deshalb sollte sich auch niemand demonstrativ-wundern, denn die Rechnung ist einfach: Wo Arbeitsplätze zum Wohle dieses System des menschenUNwürdigen “Zusammenlebens” in 1:5 (Wohlstand : Tittytainment) der Weltbevölkerung abgebaut werden, da ist es doch normal wenn weniger “sozial”, weniger Rente, weniger “Demokratie” die Folge ist!?

    Nur das gottgefällige / wirklich-wahrhaftig vernünftige Gemeinschaftseigentum “wie im Himmel all so auf Erden”, kann zweifelsfreie Eindeutigkeit OHNE wettbewerbsbedingt-konfuse Symptomatik bringen, denn wenn GRUNDSÄTZLICH alles Allen gehören darf, hat “Wer soll das bezahlen?” keine Macht mehr, so daß eine Leistungsgerechtigkeit, auf der Basis eines UNKORRUMPIERBAREN Menschenrechts zu KOSTENLOSER Nahrung, MIETFFREIES (Sozial-)Wohnen und ebenso KASSENLOSER Gesundheit, JEDEM Menschen die Teilhabe an Vernunft und Verantwortungsbewusstsein garantieren kann, und Mensch zum ganzheitlich-ebenbildlichen Wesen wird.

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