«Jesus verkündete das Reich Gottes – gekommen ist die Kirche…» – dieses bekannte Zitat fasst zusammen, was auch viele Insider als Problem anzeigen: Aus einer dynamischen Jesusbewegung ist eine konservative Institution geworden, welche nur noch ein schmales Segment der Gesellschaft anspricht. Studien der Lebensweltforschung bestätigen dieses Bild im Wesentlichen.
Stephan und Manuel diskutieren zuerst, ob und warum das überhaupt ein Problem ist – und fragen sich dann, wie die Zukunft der Kirche(n) aussehen könnte, und ob ein Brückenschlag in Kirchenferne Milieus möglich ist. Dabei kommt auch die Frage nach den Motiven auf: Gründen neue Initiativen und innovative Projekte in einem authentischen Anliegen für die Menschen, oder sind sie getrieben von der Angst vor einem weiteren Bedeutungsverlust und dem nackten Selbsterhaltungstrieb?
Und hier noch der Textausschnitt aus der Einleitung des Podcasts:
Heinzpeter Hempelmann: «Siehe, ich schaffe Neues! Erkennt ihr’s denn nicht?» Zu Konturen der «nächsten Kirche»
(Veröffentlicht auf «futur 2»)
Kirchenleitungen wie Gemeinden haben nicht wirklich realisiert, was es heißt, Kirche in einer milieusegmentierten, ja in unterschiedliche und gegensätzliche Lebenswelten fragmentierten Gesellschaft zu sein. Die großen Kirchen erreichen noch drei der 10 vom SINUS-Institut definierten Milieus: die Traditionellen, die Nostalgisch-Bürgerlichen und die Konservativ-Gehobenen. Diese geben dem kirchlichen Leben ein bestimmtes „G’schmäckle“. Sie fühlen sich hier – mehr oder weniger – wohl, verstehen Kirche und leben in ihr – in unterschiedlicher Weise – mit.
Die Milieuforschung hat aber herausgearbeitet, dass dem Inklusionseffekt ein ebenso starker Exklusionseffekt korrespondiert. Wo die einen sich wohl fühlen, spüren die anderen: Da gehöre ich nicht dazu. Die soziokulturellen Wandlungen in der Gesellschaft hat die Kirche nur unzureichend wahrgenommen, geschweige denn, dass sie sich auf sie eingestellt hätte. Besonders gravierend ist das Fremdeln mit den Lebenswelten der postmodernen Milieus. Dass da neben dem weitgehend konservativen und traditionsorientierten mentalen Block eine neue postmoderne Mentalität entstanden ist, die in unterschiedlicher Ausprägung – etwa 40% der Menschen in unserer Gesellschaft teilen, wird entweder nicht registriert, oder aber in seltener Einmütigkeit von traditionsverhafteten und modern-kritischen Teilen der Kirche als kulturelles Verfallsprodukt abqualifiziert.
Diese offene Abwertung erlaubt es dann natürlich auch zu begründen, warum man auf diesen bald dominanten Bevölkerungsteil nicht mehr zugehen muss. Milieus sind durch Distinktionsschranken, ja „Ekelgrenzen“ voneinander getrennt. D.h. die Lebensweisen anderer sind uns nicht egal; dort, wo wir sie wahrnehmen, stoßen sie uns ab. Um Konflikte zu vermeiden, ziehen sich die Bewohner der meisten Milieus denn auch in ihre Lebenswelten zurück. Das Resultat ist ein doppeltes: einerseits fremdeln die Milieus, die das kirchliche Leben traditionell ausmachen, mit den modernen und postmodernen Lebensformen; und umgekehrt empfinden die adaptiv-pragmatisch, hedonistisch, expeditiv oder neoökologisch geprägten Menschen, ohne religions- oder kirchenkritisch zu sein, einfach eine tiefe lebensweltliche Entfremdung. Warum sollte man es anstreben, zu dieser Kirche zu gehören?
2 Gedanken zu „Die Kirche: Realität einer Institution“
Jetzt habe ich mich 33 min gefragt, was ihr da um den heissen Brei herum labert- und dann kam das Schlusswort von Stefan, das in seiner Dichte und Aussagekraft für das Vorgeplänkel total entschädigte.
Einen Aspekt möchte ich aber doch noch aufgreifen: Das Mensch werden von Gott durch Jesus Christus. Das ist nicht nur Hoffnung für den einzelnen Menschen, das ist die Hoffnung der Kirche. Wenn alle Argumente von Hempelmann, weshalb Kirche keine Bedeutung mehr hat, wahr sind, wenn doppelt so viele Argumente wären, das Mensch werden von Jesus Christus hat mehr Gewicht. Anderseits, wenn alle Argumente einer Kirche für Erfolg sprechen würde, wenn sie riesen Mengen von Geld, mit den Mächtigen verbandelt, hohes Ansehen in der Gesellschaft usw. hätte, und das Mensch werden von Jesus Christus entspräche nicht der Realität, dann würden alle Argumente für eine Zukunft kein Gewicht haben.
Unabhängig von dieser Tatsache ist, aus meiner Sicht, nicht das Nichtverstehen der verschiedenen Milieus das Problem der reformierten Kirche, sondern das Abgrenzen gegen alles, was ein bisschen anders ist. Katholische Kirche und Freikirchen werden im besten Falle kritisch hinterfragt, meistens aber als schlechtes Beispiel herangezogen, oder arrogant ins lächerliche gezogen. Nun ich kann mit vielen charismatischen Kirchen nicht unbedingt viel anfangen, bin mir aber bewusst, dass Menschen aus einen „esoterischen Hintergrund wahrscheinlich dort besser andocken können, als in einer trocknen konservativen Kirche. Wahrscheinlich könnten reformierte, katholische und Freikirchen zusammen relativ viele Milieus erreichen, wenn da die internen Mauern mal ein bisschen abgebaut würden.
Ich fand schion vieles interessant und gut, finde auch, dass die Inkarnation DER Hoffnungsaspekt ist, der uns eigentlich immer wieder inspirieren, trösten, stärken kann. Räume zu schaffen, da tiefer reinzugehen und es zu verinnerlichen, wäre bestimmt hilfreich.
Ich seh es auch so, die Schätze anderer Strömungen sind nicht wirklich im Blick, z. B. Auch die Befreiiungstheoligie kommt, wenn überhaupt, komplett von ihrem Ursprung (Gerechtigkeitssinn aber gespeist von einer tiefen Spiritualität/ Frömmigkeit). Das vermisse ich, hier im Westen gibts meist nur entweder oder. Richard Rohrs ältere Bücher sind da ne gute Quelle, wie es sich dort entwickelt, würde mich auch interessieren, die sozialen Fragen sind ja sehr verschärft .
Die Kirche hat ein Riesen Klassismusproblem, das echr niicht ernsthaft angegangen wird. Ich seh es zumindest nicht. Da sind Freikirchen zum Teil weiter. (oder noch schlimmer)
Also, mein Eindruck ist, es müssen erst alle Strukturen und Erwartungen bedient weden, und der Rest der Energie darf dann in spirituelle und in gesellschaftsrelevante Wege gehen, und ja, da finde ich wie dein Geschichtslehrer, das müsste echt auf den kopf gedreht werden. Weil einfach nicht viel Rest da ist…
Oder man entscheidet sich echt fur ne Aufgabenteilung, in Respekt und Neugier, was dazuzulernen.
Seht ihr das auch so, oder ganz anders?
Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen.