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Religion vermitteln – aber wie? Rafaela Estermann

Wie können Eltern ihren Kindern Religion vermitteln? Und wie sieht es in Schulen aus? Viele Lehrerinnen und Lehrer halten im religionsbezogenen Unterricht offenbar das Prinzip der Neutralität hoch.

Das Prinzip der Neutralität

Im TheoLounge-Gespräch mit Johanna Di Blasi kärt die junge Religionswissenschaftlerin Rafaela Estermann über verbreitete Missverständnisse in der Religionsvermittlung auf. Dazu gehört die Vorstellung, wer nicht religiös sei, könne neutral über Religion urteilen.

Säkularismus aber sei keineswegs neutral, erklärt Estermann, sondern es handle sich vielfach um eine Ideologie.

Mit Säkularismus gingen nämlich häufig starke Wertungen einher.

Fünf, sechs oder sieben Säulen?

Viele Lehrer seien ausserdem der Ansicht, andere Religionen mit klaren Kategorien beschreiben zu können – etwa den Fünf Säulen des Islam. Doch die Fünf Säulen des Islams sind nicht die «wahre Essenz» dieser Religion, sondern eine bestimmte Art, sie zu strukturieren.

Nicht-Religiösität wie auch Säkularismus sind spannende, aber bislang in der Schweiz kaum erforschte Felder.

Rafaela Estermann ist Doktorandin an der Theologischen und Religionswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich. Sie ist ausserdem Stellvertretende Geschäftsführerin bei IRAS COTIS und Redaktionsleiterin bei religion.ch, einer interreligiösen Internet-Plattform.

Literaturtipps

Zu Nicht-Religiosität und Multiple Secularaties

Podcasts

Hier geht es zu den Podcasts des Postsecular Lab der Uni Bern.

Hier eine viel gehörte TheoLounge zur Frage: «Leben wir noch im säkularen Zeitalter?»

In einer vorangegangenen Episode sprach Rafaela Estermann über das spannende Thema der Glaubensvielfalt am Wohnzimmertisch – und verriet, wie es in ihrer religiös höchst diversen Familie zugeht.

Foto Canva/purple_queue von Getty Images Pro

Musik im Podcast: Lightless Dawn Kevin MacLeod (incompetech.com), Licensed under Creative Commons: By Attribution 3.0 License

Werbeeinspieler: Sweep Sound Effect und Mystical Wind Chimes von Pixabay

 

 

2 Gedanken zu „Religion vermitteln – aber wie? Rafaela Estermann“

  1. Danke für euer interessantes Gespräch. Aus meiner Sicht sprecht ihr da ein wichtiges Thema an. Ist eigentlich schon krass, wenn Lehrer der Meinung sind, dass sie werteneutral Wissen weitergeben können. Wäre ja schon sehr nahe an Werte frei, lose von Werten.
    Mir gefällt aber eigentlich der Begriff Religiosität nicht so richtig. Religion hat neben dem Wahrheitsanspruch auch immer einen sehr grossen Machtanspruch. Mit dem will ich mich eigentlich nicht identifizieren.
    Ich würde aber sagen, dass jeder Mensch gläubig ist. Ob du jetzt daran glaubst, dass es Gott gibt, oder dass es ihn nicht gibt, bei beidem brauchst du gleichermassen Glauben. Das was dir deinen Wert gibt, das wird dir eigentlich automatisch dein Gott, für das tust du alles, das treibt dich in deinem Leben an.
    Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich euch jetzt etwas unterstelle, aber ihr habt in dem Gespräch (zurecht) angeprangert, dass der Säkuläre meint, dass er Religiosität neutral vermitteln kann und aber Religion vor allem über das Negative definiert. Bei dieser Beobachtung habt ihr recht, nach meinem Empfinden habt ihr bei eurer Beurteilung des Säkulären, das aber genau auch so gemacht. Da müsst ihr euch ab der 30 min. nochmals anhören. Da könnte fast der Eindruck entstehen, dass ihr dieses Thema eben am wahrsten und neutralsten Beurteilen könnt, weil ihr da noch freier von einem Wahrheitsanspruch seid, als einer, der zur „säkulären Religionsgemeinschaft“ gehört.
    Aber Glaube kann eigentlich gar nie neutral sein, an etwas, was keinen Wahrheitsanspruch hat, glauben wir schlichtweg nicht. Und beim christlichen Glauben begegnen wir einem Gott, der offen von sich sagt: Ich bin der Weg, das Leben und die Wahrheit.
    Ist aus meiner Sicht der einzige Gott, der seinen Wahrheitsanspruch offen kommuniziert.

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    • Danke fürs genaue Zuhören und den differenzierten Kommentar, der mich nachdenken lässt. Interessant dein Eindruck, dass wir selbst in die Attitüde verfallen, die wir kritisieren. Allerdings bekomme ich das von dir angedeutete Problem nicht ganz zu fassen. Vielleicht kannst du es noch genauer sagen?

      Rafaela weist in der von dir angegebenen Stelle des Podcasts daraufhin, dass das Säkulare bestimmt, wie wir Religion definieren und verstehen. Will sagen: Das Säkulare beansprucht in einem überwiegend säkularen Kontext eine Metaposition; so wie die Position der Aufklärung beansprucht, gegenüber den Religionen eine übergeordnete respektive neutrale Position innezuhaben. In gewisser Weise bringt das Säkulare die Religion überhaupt erst hervor, indem es die Kulturen der anderen als “Religionen” identifiziert.

      Dies ist im Zuge der neuzeitlichen Entdeckungen und v.a. im 19. Jahrhundert systematisch geschehen, oft verbunden mit Wertungen: Schriftreligionen (Christentum, Judentum, Islam) wurden höher eingestuft als etwa schamanische Traditionen, denen oft nicht einmal der Religionsstatus zuerkannt wurde. Und von geschichtsmächtigen Religionen (allem voran das Christentum und zuvorderst der Protestantismus; z.B. bei Harnack) wurden solche unterschieden, die nur noch museale Bedeutung besässen.

      Und dann kommt noch hinzu, was du anmerkst: die im Verbund mit Macht oder gar theokratisch auftretende Religion. Die ist auch mir nicht sympathisch. Ich finde den Religionsbegriff also doppelt schwierig, anders als Religiosität als Bezeichnung für die individuelle Religion. Aber wie so oft bei unbefriedigenden Begriffen: In Ermangelung eines anderen Begriffs verwendet man es doch.

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