War da wer? Jetzt sieht man nur noch schwarze Gummistiefel. Aus ihnen schiesst explosionsartig Wasser. In anderen Variationen des Motivs dringt aus dem Schuhwerk farbiger Qualm.
Roman Signer, Wasserstiefel, 1985, Foto: Marck Rogowiec © Roman Signer
Vor dem Hintergrund neuer Kriege, veränderter Gefahreneinschätzungen und enthemmter Aufrüstungsdebatten sieht man einige der Arbeiten von Roman Signer heute anders als noch vor Jahren.
Der Künstler gibt Bildrätsel auf
Das Kunsthaus Zürich gibt jetzt Einblicke in Signers Schaffen. (Roman Signer, «Landschaft», bis 17. August, Kunsthaus Zürich). Viele Werke des prominenten Schweizer Künstlers und Erfinders sind haarscharf an der Grenzen zwischen Sein und Nichtsein, Sinn und Nonsense, Humor und Horror angesiedelt.
Hier der Künstler in der Landschaft: auf einem Bürosessel mit Schweisserbrille – und feurigem Antrieb.
Das Arbeitsleben kann brandgefährlich sein!
Roman Signer, Bürostuhl, 2006, Foto: Tomasz Rogowiec © Roman Signer
Soll ich lachen, soll ich weinen? Irgendwie muss man bei ihm beides.
Signers lapidarer Kommentar auf das Weihnachtsfest, bei dem es in vielen Familien rund geht, sieht so aus: Ein Mechanismus lässt einen Baum auf Knopfdruck blitzartig im Kreis rasen, so dass der Schmuck binnen Sekundenbruchteilen gegen die Wände knallt.
Roman Signer, Arbre de Noël, 2010, Photo: Aleksandra Signer © Roman Signer
Bei der Vorbesichtigung war der Christbaum noch intakt – inzwischen gibt es eine schöne Bescherung!
Der Künstler ist augenscheinlich einer, der gern experimentiert und herumtüftelt. Das Material, mit dem er hantiert, verliert aber unter seinen Händen das Handfeste und die Bodenhaftung.
Die Komik erwächst aus tragikomischen Aspekten der menschlichen Existenz selbst.
Mit kleinen Ver-Rückungen alltäglicher Situationen schafft der Künstler Öffnungen, durchbricht festgefügte Ordnungen der Dinge und zeigt neue Möglichkeiten auf.
Wiederkehrende Elemente sind Sprengstoff, Gummistifel, Fässer, Leitern und Kanus.
An ein Kanu hat der Künstler kreisrunde Sprengvorrichtungen so angebracht, dass das Boot von einer Sekunde zur anderen in sieben Teile gerissen wurde. Aus den Einzelteilen liess sich eine Installation zusammensetzen, die wiederum den Anschein eines Ganzen ergibt.
Umwandlung in Energie
Man fragt sich bei Signer immer: Was ist passiert und was fliegt als nächstes in die Luft?
Er hat sich durch das Hantieren mit Sprengstoff immer wieder selbst Gefahren ausgesetzt. Um den strengen Auflagen im Land Genüge zu tragen, liess er sich zum Eidgenössischen Sprengbefugten ausbilden. Dennoch bekam der Künstler gelegentlich Besuch von der Polizei. Diese findet private Vorräte an Dynamit und Schwarzpulver grundsätzlich verdächtig, selbst bei einem international gefeierten Pyrokünstler.
Was Roman Signer fasziniert, ist die vollständige Umwandlung in Energie. Am Ende ist da nur noch Rauch.
Das Image des «brandgefährlichen» Künstlers haftet ihm mittlwerweile so sehr an, dass sich der inzwischen 86-Jährige eines erbeten hat: In Überschriften bitte nicht mehr die Worte «Knall», «Explosion» oder «Feuerwerk» verwenden. Dieser Bitte kommen wir gern nach. 😉
Serious Games
Was ist eigentlich sein Antrieb? Bei der Vorbesichtigung der Zürcher Ausstellung erklärte Signer einem Interviewteam vom Fernsehen, dass gerade bei den Sprengstoffarbeiten sehr stark Kinderängste hineingespielt hätten.
Die Schweiz wurde zwar nicht in die Weltkriege hineingezogen, aber im Land herrschte durchaus Kriegsangst.
Als kleines Kind habe er die Sorge der Erwachsenen deutlich gespürt, erzählte der 1938 Geborene. Es sei dauernd über Krieg geredet und berichtet worden.
«Wenn man die Gefahr kennt, kann man ihr ausweichen. Wenn dich aber die Gefahr überrascht, hast du ein Problem.»
Nachfolge von Dada
Vor Signer haben sich Künstler:innen und Poet:innen des Dadaistismus und Surrealismus an der Absurdität des Daseins abgearbeitet, im Theater unter anderem Samuel Beckett.
Der Dadaismus hat bekanntlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Zürich seinen Ausgang genommen.
Dorthin waren während des Ersten Weltkriegs Künstler:innen und Intellektuelle geflüchtet. Im Cabaret Voltaire setzten sie auf spielerische Provokation und Un-Sinns-Logik: um auf die Sinnlosigkeit und Grausamkeit des Krieges, den «Geist des Militarismus», wenigstens irgendwie zu reagieren.
Signer bleibt nicht bei Dada stehen, sondern deutet die Möglichkeit von Übergängen an. Wohin bleibt aber offen, wie bei dieser angedeuteten Himmelsleiter. Der lapidare Titel: «Stiefel».
Roman Signer, Stiefel, Fitjar, 2012, Foto: Tomasz Rogowiec © Roman Signer
Vespacar vor dem Höllentor
Schönheit und Schrecken hängen bei Signer eng zusammen. Das wird auch auf dem Vorplatz des Kunsthauses in Zürich deutlich. Dort hat der Künstler einen mobilen Springbrunnen eingerichtet. Der Brunnen befindet sich im Kofferraum seines himmelblauen Vespacars. Das Wasser kommt über einen schwarzen Schlauch aus dem Kunsthaus, fliesst über die Steinplatten ab und versickert vorne an der Fahrbahnkante.
Aus der Ferne sieht es wie ein Wasserschaden aus.
Passanten wundern sich, bleiben stehen – und lächeln. Der Brunnen als Sinnbild für das Paradies parkt wohl nicht zufällg vor Rodins «Höllentor».
In der Welt ist die Hölle los, aber es gibt auch Paradiese.
Und falls nicht, können wir versuchen, sie zu erschaffen.
Roman Signer, Fontana di Piaggo, 1995, Foto: Johanna Di Blasi/RefLab © Roman Signer
Ausstellung: Roman Signer, «Landschaft», bis 17. August, Kunsthaus Zürich
Und so sieht der Scoutometer aus: