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 Lesedauer: 4 Minuten

Vintage-Sommerlektüre (3): Dick Francis, «Verrechnet»

Auf der Suche nach Sommerlektüre? Was jedes Jahr neu auf den Buchmarkt kommt, lässt einen schwindeln, aber literarische Oldtimer halten da problemlos mit. Gastautorin Claudia Dahinden sinniert lustvoll, welche Bücher sie immer wieder lesen könnte und warum.

Eine meiner Leseleidenschaften sind Krimis; eine Affinität, die mir mit der Muttermilch eingeflösst wurde. Am innigsten liebe ich die Werke des ehemaligen Jockeys Dick Francis, die im Diogenes Verlag erscheinen.

Und ich weiss noch, als wäre es heute, wie ich auf diese Perle gestossen bin.

Entdeckung in der Buchhandlung

Ich suchte im Stauffacher zu Bern nach neuer Lektüre, nahm ein Buch zur Hand und las den ersten Satz: «Die fünfte Frau meines Vaters war mir zutiefst unsympathisch, aber für einen Mord hätte es nicht gereicht.» Das hat gereicht, und ich war am Haken.

Inzwischen habe ich praktisch alle Krimis von Francis gelesen.

Einen Favoriten zu wählen ist unmöglich, aber ich versuche es dennoch mit «Verrechnet».

Der Plot in Kürze:

Ein adliger Aussteiger und eigenbrötlerischer Maler bestreitet seinen Unterhalt mit Bildern über das Golfspiel. Als sein Stiefvater einen Herzinfarkt erleidet, verlässt er seiner Mutter zuliebe widerwillig seine Hütte in den schottischen Highlands und übernimmt die Verantwortung für dessen Brauereigeschäft.

Nun muss er sich nicht nur mit einem Finanzfachmann herumschlagen, der die Insolvenz der Firma verhindern will: Um ein Rennpferd aus der Konkursmasse herauszuhalten, braucht er die Hilfe der Rennstallleiterin. Niemand Geringeres als seine Frau, die er für die Malerei verlassen hat.

Als wäre das nicht genug,  ruft sein Einsatz nicht nur seine Stiefschwester, sondern eine ganze Reihe übler Gestalten auf den Plan.

Nahbare Helden

Da Francis in der ersten Person schreibt, fiebert man als Leser:in aus nächster Nähe mit. Die Helden sind durchs Band männlich, um die dreissig Jahre alt und grundgute Typen: Mit Schwächen und einem Entwicklungspotential, aber einfach zum Gernhaben.

Alexander Kinloch, der Held in «Verrechnet», hat es mir besonders angetan, weil ich mich in seiner eigenbrötlerischen Art wiedererkenne. Zwar residiere ich nicht in den Highlands, sondern im Mittelland. Aber auch ich arbeite grösstenteils allein von Zuhause aus, und das verboten gern.

Ein weiterer sympathischer Zug ist Alexanders Empathie, mit deren Hilfe wir uns in die facettenreichen Gegenspieler:innen hineinfühlen können.

Versöhnliche Happy Ends

Wer verfolgt hat, was für Bücher ich in dieser Blogserie bisher gelobt habe, hat es sicher gemerkt: Ich habe ein Faible für Happy Endings.

Es gefällt mir einfach, wenn das Gute gewinnt, Versöhnung geschieht und die unverbesserlich Bösen ihre gerechte Strafe bekommen.

Die kann, wie in diesem Buch, auch mal äusserst schmerzhaft und folgenreich sein (mehr sei nicht verraten).

Ein weiteres Plus bei Dick Francis sind die Settings: Alle Geschichten haben eine Verbindung zum Reitsport, zudem wagt sich Francis in Gefilde wie die Glasbläserei, das Bankwesen, oder eine Privatdetektei.

Einblick in die Künstler:innenseele

In allen Büchern von Dick Francis erfahren wir zudem viel über das Metier des Protagonisten. So auch beim Maler Alexander in «Verrechnet».

Besonders berührend wird diese Innensicht, als er während der Begegnung mit einer 80jährigen Kunstexpertin die Eingebung hat, ein Bild zu malen, das die Frau zugleich jung und alt zeigt.

Im Schaffensprozess muss er ein scharfes Werkzeug ansetzen, um in die nasse Farbe zu schneiden. Doch jetzt überkommen ihn Zweifel. Ist sein Können seiner Vision gewachsen?

Grosse Ideen verursachen grosse Ängste

Diesen Moment kenne ich gut. Oft weiss ich genau, was mein Buch aussagen soll, aber nicht, ob ich die Skills habe, die Idee zum Leben zu erwecken. Wahrscheinlich bin ich einfach nicht gut genug!

Wenn mich dieses «Impostor Syndrome» genannte Phänomen im Griff hat, würde ich manchmal lieber auf Nummer sicher gehen. Warum nicht kleinere  Brötchen backen?

Der «Leap of Faith»

Aber ich glaube, wir können und sollen diesen Momenten nicht ausweichen. Wir müssen den «Sprung des Glaubens» wagen wie Indiana Jones, als er vom Kopf des Löwen in den vermeintlichen Abgrund schreitet.

Jedes Mal aufs Neue darauf vertrauen, dass wir – auch wenn wir den Weg noch nicht sehen – die Idee, die uns Gott oder unsere Intuition (oder Gott durch unsere Intuition) geschenkt hat, zum Leben erwecken werden.

Kennst du dieses Gefühl, dir etwas vorgenommen zu haben, das deine Möglichkeiten übersteigt? Wie gehst du damit um? Schreib mir einen Kommentar.

 

Claudia Dahinden schreibt für RefLab eine Sommerserie über ihre Lieblingsbücher. Die Autorin (Saga «Die Uhrmacherin»), Musikerin und pastorale Mitarbeiterin lebt in Grenchen. Wenn sie nicht schreibt oder liest, konsumiert sie mit Hingabe nerdige Fernsehserien. 

Illustration: Rodja Galli

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