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 Lesedauer: 5 Minuten

Alles in Allem

Wenigstens mein Osterblog soll ohne Corona auskommen. Das hatte ich mir vorgenommen. Geht aber nicht. Und eigentlich muss ich mich darüber auch nicht wundern. Denn wir erleben gerade eine Pandemie, ein Ereignis, das – wörtlich genommen – das ganze Volk betrifft. Und «das ganze Volk» heisst in unserem Fall: alle. Urlaub von Corona gibt es nicht. Wo immer ich auch hingehen würde, Corona wäre schon da. Manchmal bedrängt mich das und macht mich mutlos.

Hoffungsvolle Zeichen

Es gibt aber auch Seiten an Corona, die mich hoffnungsvoll stimmen. Schon zu Beginn der Krise habe ich mich mit dem Ganzen oder mit allen synchronisiert. Die Einmütigkeit, in der die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereiche reagiert und gehandelt haben; die Grosszügigkeit, mit der gedacht und verfahren wurde; der weite Blick, der zu konkreten Massnahmen führte – ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

Und diese magistrale Grosszügigkeit fand und findet ihren Widerhall in der gegenseitigen Unterstützung vieler: Es wird telefoniert, geschrieben und füreinander eingekauft. Es werden Fotos und Filmchen geteilt und es wird Geld verteilt. Das Gefühl, dass wir alle im gleichen Boot sitzen, setzt die Fantasie frei, was wir einander sein können. Das macht mich froh.

Auf diese froh machende Sicht auf Corona hat mich der Ostertext aus dem 1. Korintherbrief, 15, 20-28 gebracht. In diesem Text schreibt der Apostel Paulus über die Auferstehung, genauer darüber, was sie für die Einzelnen bedeutet; wie sie sich im einzelnen Leben auswirkt.

Fremde Welt

Auch Paulus rührt mit der ganz grossen Kelle an. Er wirft alles auf, um der Auferstehung Raum zu verschaffen und um seine Leserinnen und Leser ins Boot zu holen.

Das ist erstmal auch für mich schwere Kost. Beim ersten Lesen schlug mir Prinzipienreiterei entgegen. Paulus kam mir vor wie ein kleinlicher Buchhalter, der alle und alles an seinem Ort versorgt und vertäut. Was soll ich denn damit anfangen? Dazu kommen die antiken Bilder und Vorstellungen, die uns vor Augen geführt werden. Alles fern und fremd.

Der Text als Film

Aber stellen wir uns vor, es sei wie im Film, da lassen wir uns diese mythisch-apokalyptischen Geschichten gerne gefallen: Paulus beginnt bei Adam, mit dem der Tod in die Welt gekommen ist. Da spielt Paulus auf die Geschichte vom Sündenfall an, in der Adam und Eva sich um das Paradies gebracht haben und in der Wirklichkeit und das heisst Endlichkeit unseres Lebens gelandet sind.

Paulus geht weiter zu Jesus, der – wie alle – gestorben ist, aber als Erster von den Toten auferweckt wurde und damit die Auferstehung für alle ermöglicht hat. Mit dem auferstandenen Christus wurde das messianische Reich errichtet, während dessen Regentschaft Christus alle todbringende Herrschaft, Gewalt und Macht zunichtemachen wird. Als letzter Feind wird der Tod vernichtet werden. Und am Ende wird Gott alles in allem sein.

Der Film ist zu Ende, das Licht geht an. Wir blinzeln, stehen auf und gehen – zuerst klamm und benommen – zurück in unseren Alltag. Wenn der Film nicht nur Action bot, sondern klug war, klingt er in uns nach.

Zwei Bilder sind in mir beim Paulus-Film nachgeklungen:

«Da nämlich durch einen Menschen der Tod kam, kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung.»

Tod und Leben sind als Kräfte abgebildet, die unser Leben prägen. Wir erleben sie als Gegensätze. Wenn der Tod in unser Leben platzt, reihen sich die Ereignisse unseres Lebens wie Perlen auf der Schnur des Todes auf. Alles wird von ihm überschattet. Wenn alles rund läuft und das Leben es gut mit uns meint, reihen sich die gleichen Ereignisse wie Perlen auf der Schnur des Lebens auf. Alles wird vom Glück überstrahlt.

Am Schluss siegt der Tod. Auch Christus ist gestorben, sagt Paulus. Aber die Auferstehung hat Paulus die Hoffnung ins Herz gepflanzt, dass am Ende das Leben steht, trotz Tod.

Sich Hoffnung leihen

Ich habe von Ärzten in den überfüllten italienischen Spitälern gelesen. Für sie gibt es auch keine Pause von der Coronazeit. In ihrer Erschöpfung, Trostlosigkeit und Verzweiflung haben sie sich an die Priester gehalten. Die sind bei den Sterbenden geblieben, um sie zu trösten. Sie wurden selbst infiziert und sind gestorben. Aber sie waren geblieben, getragen von ihrer Hoffnung. Der Arzt, der berichtet hat, hat sich an der Hoffnung der Priester festgehalten, weil er Hoffnung brauchte, um weiterzumachen.

Als zweites ist mir die Perspektive in Erinnerung geblieben. Mythisch-apokalyptische Filme reden immer über das Ganze. Paulus auch. Kein Wort kommt so oft in diesem Text vor wie «alle» oder «alles».

Zum Ganzen gehören

Was es heisst, zum Ganzen zu gehören, Teil des «Alles» zu sein, lerne ich jetzt in der Coronakrise. Die grosszügigen Gesten und Überbietungsstrategien schaffen Raum.

Wir kommen uns näher. Wir spüren unsere Bedürfnisse und die der anderen. Wir werden findig, einander Zeichen zu geben und Halt. Wir sind Hoffnungsträger, jede und jeder am eigenen Ort. Wir weben gemeinsam am Lebensnetz.

 

Photo by Angel Origgi on Unsplash

1 Kommentar zu „Alles in Allem“

  1. Michael Schweizer

    Für mich der Kernsatz oben: Aber die Auferstehung hat Paulus die Hoffnung ins Herz gepflanzt, dass am Ende das Leben steht, trotz Tod.
    Auferstehungen finden für uns erlebbar nicht tagtäglich statt. Ergo brauchen wir weitere, möglichst zeitgemässe, Hoffnungsquellen.

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