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4 Wege, dieses Jahr zu ruinieren

Der österreichische Psychologe Paul Watzlawick veröffentlichte im Jahr 1983 einen berühmt gewordenen Anti-Ratgeber unter dem frechen Titel «Anleitung zum Unglücklichsein». Er liess sich dabei von einer Einsicht aus der Lerntheorie leiten: Manche Dinge verstehen wir schneller und nehmen wir ernster, wenn wir die Absurdität des Gegenteils vor Augen haben.

Ganz in diesem Sinne möchte ich hier vier Tipps weitergeben, um das gerade angebrochene Jahr garantiert zu ruinieren.

Für alle, die das 2025 mit Anlauf in die Tonne treten möchten… oder auch für jene, die am Negativbeispiel etwas lernen wollen…

Also:

1. Versuche krampfhaft glücklich zu werden!

«Eine grundsätzliche Übung für alle, die ihr Unglück suchen, ist eine intensive Beschäftigung mit dem Glück», schreibt Stefan Gammel in seinem Aufsatz «Unglück für Anfänger, Fortgeschrittene und Profis». Und tatsächlich gehört es zu den paradoxen Ergebnissen der Glücksforschung, dass sich das Glück nur dort finden lässt, wo es nicht gesucht wird.

Das deckt sich übrigens mit der biblischen Grundeinsicht, dass sich das persönliche Glück nur als Nebenprodukt eines Lebens einstellt, das gerade nicht auf das persönliche Glück, sondern auf etwas Grösseres, Umfassenderes – in den Worten Jesu: auf das «Reich Gottes» – ausgerichtet ist (vgl. Matthäus 6,33).

Wer also sein persönliches Glück an erste Stelle setzt und sich bemüht, um jeden Preis glücklich zu werden, ist auf dem besten Weg, auch sein letztes Stück Glück zu verspielen.

Um dieses Jahr mit Ansage in den Sand zu setzen, frage dich darum beharrlich: Bin ich wirklich maximal glücklich? Und wenn du mit der Gesamtsituation eigentlich ganz zufrieden bist, dann bohre tiefer: Was brauche ich noch, um so richtig vollständig glücklich zu werden?

Versprochen:

Wenn du dafür sorgst, dass sich in diesem Jahr jeder deiner Gedanken um dein persönliches Lebensglück dreht, wirst du vom Ergebnis so richtig schön enttäuscht werden!

2. Lass dich einfach treiben!

Falls dir der erste Tipp zu anstrengend ist, gibt es eine weniger schweisstreibende Alternative:

Tu einfach gar nichts.

Lass dich treiben wie eine leere Plastikflasche im Ozean, die von Strömung zu Strömung gespült wird. Klingt entspannt? Irrtum! Denn wer konsequent vermeidet, das Steuer selbst in die Hand zu nehmen, landet garantiert dort, wo er nicht hinmöchte.

Hierbei ist es entscheidend, jegliche Initiative zu verweigern und die eigenen Ziele oder Bedürfnisse zugunsten der Erwartungen anderer komplett zu vergessen.

Gib den Dynamiken und Systemen in deinem Leben die volle Kontrolle.

Sage «Ja» zu allem, lasse dich mitreissen von den zahlreichen Ansprüchen anderer und richte es dir auf dem Beifahrersitz bequem ein, während das Leben an dir vorbeizieht.

Die Herausforderungen als Angestellter oder als Vorgesetzter, die Aufgaben als Ehefrau, Vater, als Sohn oder Tochter älterwerdender Eltern, als Nachbar im Quartier, als Mitglied von Vereinen, als Verantwortliche in Kirche und Gemeinde…:

Je mehr «Hüte» wir in unserem Leben tragen, desto grösser wird der Druck, der sich aus den kumulierten Erwartungen ergibt. Wer sich von ihnen treiben lässt, wird unweigerlich ein Getriebener.

Dieses Gefühl der Fremdbestimmung und fehlenden Selbstwirksamkeit macht das Jahr 2025 für dich zu einem epischen Frustrationserlebnis!

3. Denke so kurzfristig wie möglich!

Wer sich dieses Jahr nach Kräften verderben möchte, sollte alle grundsätzlichen Existenzfragen meiden wie der Veganer den Grillabend.

Anstatt langfristige Entscheidungen für ein sinnerfülltes Leben zu treffen, gilt es, ausschliesslich für den Moment zu leben und jedes größere Ziel oder jede lästige Reflexion konsequent zu vermeiden.

Man denke bloss an den gefährlichen Ratschlag aus Psalm 90,12: «Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.» Wer sich an solche Weisheiten hält und über Sterblichkeit und Lebensziele nachdenkt, wird am Ende gar noch sinnvolle Prioritäten setzen. Das musst du zu verhindern wissen!

Der Schlüssel zu einem gescheiterten Jahr liegt darum darin, jede Gelegenheit zu tieferem Nachdenken zu ersticken.

Rückblicke oder Zäsuren wie ein Jahreswechsel? Sofort mit belanglosem Kram zupflastern oder, noch besser, mit einem gepflegten Kater am Neujahrstag wegbügeln.

Was interessiert dich schon, was in fünf Jahren sein wird? Oder was einmal auf dem eigenen Grabstein stehen soll? Woran sich Familie und Freunde an der eigenen Beerdigung erinnern sollen? Das sind Fragen für Spinner, die es nicht schaffen, den nächsten Netflix-Marathon vernünftig zu planen.

Denke und agiere maximal kurzfristig:

Vermeide jede Frage, die über das nächste Wochenende hinausgeht.

Und Vorsicht: Schon ein einziger Moment von Stille und Selbstreflexion könnte die ganze schöne Oberflächlichkeit ruinieren, unter die du das frisch angebrochene Jahr stellen wolltest!

4. Nimm dein Handy überallhin mit!

Wenn dein Jahr garantiert im inneren Ruin enden soll, dann gibt es einen unverzichtbaren Helfer:

Dein Smartphone! Lass es unter keinen Umständen aus den Augen!

Wer sichergehen will, dass das Leben keine Tiefe gewinnt, wer sich erfolgreich alle weitreichenden Fragen vom Leibe halten und ganz gewiss keiner spirituellen, geistlichen Dimension in seinem Leben Türen öffnen möchte: der muss sein Smartphone zum besten Freund und ständigen Begleiter machen.

Die aktuellen technologischen Entwicklungen unterstützen uns dabei. Akkus werden immer leistungsfähiger, Algorithmen immer zuverlässiger – und neuerdings dürfen Handys sogar nass werden: Du kannst es also problemlos auch in die Badewanne mitnehmen.

Denn wer eine halbe Stunde ohne Katzenvideos, TikTok-Tänze und Insta-Stories auskommen muss, ist ja wohl selber schuld.

Kein Augenblick der Einkehr darf vor der digitalen Reizüberflutung sicher sein.

Fortgeschrittenen empfiehlt sich ausserdem, für alle Apps die Benachrichtigungen zu aktivieren. Das sanfte Pling oder Vibrieren sorgt zuverlässig dafür, dass kein Gedanke in die Tiefe geht und dass du stets mit bedeutungslosen Updates über fremde Leben beschäftigt bleibst.

Auf diese Weise machst du dich nicht nur für Ablenkungen anfällig, sondern gibst deinem Handy auch die Macht, dieses Jahr zu regieren.

Hinweis: Dieser Tipp hilft dir zugleich zur Umsetzung des Vorausgehenden – du kannst hier also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen!

… das also sind meine handverlesenen Tipps fürs Jahr 2025. Wenn du dich nicht daran hältst, könnte es gut sein, dass dich doch noch Erfüllung, Glück und Sinnerfahrungen heimsuchen.

Komm dann einfach nicht zu mir, um dich zu beschweren!

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