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 Lesedauer: 3 Minuten

Auffahrt: Himmlischer Abgang im richtigen Moment

Was für eine grandiose Nachfolgeregelung!

Gar nicht erfreulich, manchmal sogar zum Fremdschämen ist es, wenn jemand den Moment verpasst, in dem es goldrichtig wäre aufzuhören und abzutreten. Wir kennen es von Sportlerinnen, Politikern, Managerinnen, den Gründervätern und -müttern in Unternehmen oder Institutionen. Echt schade, wenn ein begnadeter Mensch auf der anderen Seite seiner Zenithöhe absteigt und es zu spät merkt. Wo einst die schöpferischen Energien nur so strömten, staut sich jetzt die Zukunft.

Ganz anders bei Jesus. Er überrascht seine traurigen Nachfolger*innen mit einer erfreulichen Nachfolgeregelung: «Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden.»

Auffahrt erzählt von einem der spektakulärsten Abgänge aller Zeiten! Der Geistgesalbte macht Platz für einen Nachfolger, dem er die Zukunft der Menschen und ihres Glaubens vertrauensvoll übergibt – den Heiligen Geist.

«Was steht ihr da und seht gen Himmel?»

Diese Nachfolgeregelung muss man als christusgläubiger Mensch erst mal schlucken. Für die Kirche Jesu Christi war es von Anfang an nicht einfach, hinter ihrem Abschiedsschmerz die Freude über den kommenden Geist Gottes zu spüren. Die Frauen und Männer damals brauchten die deutliche Aufforderung zweier Engel, bloss nicht länger in den Himmel zu starren.

Es scheint bis heute ein Anhimmeln Christi zu geben, das einen auf der Erde lahmlegt. Himmelfahrt ist so ziemlich das Gegenteil davon.

Ich spitze es mal bewusst zu: Der auferstandene Christus mutet uns seine Abwesenheit zu, damit wir im Heiligen Geist eine gesteigerte Anwesenheit Gottes erfahren können.  Er will nicht von uns angehimmelt werden, er will uns auf der Erde durch seinen Geist in Bewegung setzen. Gerade so folgen wir dem Christus nach: als Geistgesalbte durch welche die vermeintliche Grenze zwischen Himmel und Erde nicht fester, sondern flüssiger wird.

Heisst «Auffahrt feiern» am Ende, Christus dafür zu danken, dass er uns bis heute im passenden Moment allein lässt, damit wir uns nach seinem Geist ausstrecken?

Bisher habe ich noch nicht gewagt, ihm so für seine Abwesenheit dankbar zu sein.

Aufzufahren ist die göttliche Art aufzuhören

Erstaunlich ist der Abtritt von Jesus, weil er just in dem Moment aufhört, da es am schönsten ist. Einander haben wir diesen gutgemeinten Rat schnell gegeben, das ist das eine. Etwas anderes aber ist es, sich tatsächlich in den Himmel zu verabschieden, während man gerade von allen Seiten angehimmelt wird. Wie frei muss man sein, um gehen zu können, wenn vieles darauf hindeutet, dass es sogar noch schöner werden kann? Zugegeben, es gibt die Momente, in denen wir unter keinen Umständen aufhören und schon gar nicht aufgeben sollten.

Aber während der wahre Messias den Weg freimacht für den Heiligen Geist, regt sich in uns öfter mal ein Geist, der sich für unverzichtbar hält und einen auf Heiland der Welt macht. Aufhören wird ab dann zu einem schmerzlichen, aufgezwungenen und oft einsamen Abstieg aus der vormaligen Höhe unseres Lebens. Jesu Aufhören ist kein Ab-, sondern ein Aufstieg.

Die Gewissheit, dass mit dem Heiligen Geist das Abenteuer der Menschenliebe Gottes anders weitergeht, ermächtigt Jesus aufzuhören und anders weiterzumachen. Auffahrt erinnert mich daran, dass auch ich mit allem, was ich tue, aufgehoben bin in der Geschichte des Geistes Gottes. Wenn überhaupt, dann liegt hier die Quelle für meinen Mut, im Kleinen wie im Großen, in Beziehungen wie in Projekten liebevoll den Hut zu nehmen, ja, mich selbst zurückzunehmen. Allen Geistern zum Trotz, die mir einflüstern unentbehrlich zu sein.

 

Photo by Pedro da Silva on Unsplash

4 Kommentare zu „Auffahrt: Himmlischer Abgang im richtigen Moment“

  1. Thomas Grossenbacher

    So irdisch und himmlich über Auffahrt nachdenken! Das ist wirklich gelungen.
    Nachfolgeregelung haben häufig etwas Bindendes, Fesselndes. Hier diese Weite. Logiik des Loslassens, bei dem Neues beginnen kann. Logos nicht als schwerer Klotz. Mutige, leichte Gelassenheit, die jede verkrampfte erdgebunderne Christologie himmlisch auflöst. Merci

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