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Wer ist der Gott von Jordan Peterson?

2018 wurde Peterson in der New York Times als derzeit einflussreichster, westlicher Intellektueller bezeichnet. Warum hat ein in der wissenschaftlichen Welt kaum bekannter kanadischer Psychologieprofessor in den sozialen Medien eine solche Reichweite? Wie lässt sich sein erheblicher politischer Einfluss erklären? Und warum finden ausgerechnet seine Vorträge zur Bibel so viel Beachtung, sowohl bei konservativen Gläubigen als auch bei spirituell Suchenden?

Andi und Thorsten zeichnen nach, was Peterson unter Gott und Glaube als Ringen mit Gott versteht. Sie arbeiten heraus, warum er von vielen (vor allem jungen Männern) so positiv und bestärkend empfunden wird. Sie wundern sich aber auch, wie eine religiös liberale Herangehensweise an die Bibel zusammenpasst mit der oft autoritären Moralität seiner Schlussfolgerungen.

Sie setzen sich kritisch auseinander mit Petersons Versuch, die Bibel für seinen Kulturkampf von rechts zu instrumentalisieren und fragen sich, wie Theologie und Kirche in Europa auf diese öffentliche Verbindung von Christentum und Autoritarismus reagieren können.

9 Gedanken zu „Wer ist der Gott von Jordan Peterson?“

  1. Tolle und kritische Rezension:
    Als “liberaler” Theologe hat mich JP immer sehr inspiriert und hat mir aus der Seele gesprochen: Dostojevski, Nietzsche, CG Jung und der Verweis von Thorsten auf Drewermann und Tillich- Genau Meins! Seine psychologische bzw. tiefenpsychologische Deutung biblischer Texte finde ich sehr inspirierend und in der heutigen Debatte als eine der anschlussfähigsten Positionen!
    Seine 12 Rules haben mein Leben wirklich verändert oder mindestens bereichert; Maps of Meaning ist ein Meisterwerk! Rhetorisch ist er brillant!

    Aber sein Kulturkampf und seine Queerfeindlichkeit: da kann ich nur den Kopf schütteln und bäh sagen…da hat er sich total verrannt und tanzt mit den falschen Geistern… und auch seine Äußerungen zur Klimadebatte sind abstrus…

    Ich bin ein Fan des “alten” JP, der “neue”- nein Danke!

    Aber halten wir es mit Paulus: “Alles prüfet, das Gute behaltet!”

    NB: Das Gebet kommt bei JP doch vor: da gibt’s einen Beitrag, bei dem er auf die Schlaflosigkeit zwischen 03.00 Uhr bis 05.00 Uhr als Stunden der Spiritualität und der Gottesbegegnung, des Gebets verweist…

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    • Danke für Deinen Kommentar, lieber Roland. Weil ich noch zu wenig von Peterson kenne und gehört habe, halte ich mich mit Einordnungen zurück, finde aber, dass Deine Unterscheidung “alter JP” und “neuer JP” meine Ahnung unterstützt, dass da eine Entwicklung stattgefunden hat.
      Mir erging es so, dass ich etliche wertvolle und stärkende Aspekte bei ihm gefunden habe, die das, was Glauben, und das, was der Gott dieses Glaubens ist, erhellen. Auch seine Ausführungen über den Ruf Gottes, das Ergriffensein und den Enthusiasmus finde ich bedenkenswert.
      Als wir sagten, Gebet käme nicht vor, dachte ich auch: Nein, an mindestens einer Stelle im Buch fällt das Stichwort. Bevor ich jetzt ne halbe Stunde suche: Hast Du die Seitenzahlen parat und könntest die mir zusenden?

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      • Lieber Andreas
        Ich kann mich jetzt gerade nicht an die Seitenzahlen erinnern… aber auf YouTube führt er aus: WHY LONELINESS IS GOOD | Dr. Jordan Peterson

        Gruss
        Roland

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          • Jordan Peterson hat vermutlich ein wirklich kompliziertes Verhältnis zu Gott. Ich bin gespannt, wie es weitergeht – nach der Spontanheilung seiner Frau von Krebs, die inzwischen offenbar mit Gott per Du ist.

            (Zitat) “Der Unterschied – wie C.S. Lewis es gut herausgestellt hat – zwischen diesen mythologischen Göttern und Christus ist der, dass er auch historisch existiert hat … Christus als Person, die wirklich lebte …
            Das Problem ist, dass ich das wahrscheinlich glaube, und ich bin über meinen eigenen Glauben erstaunt, ich verstehe das nicht. [weint] Ich habe einige Male erlebt, wie sich die objektive Welt und die Welt des Unsichtbaren berühren, synchron sind. Ich habe das oft in meinem Leben beobachtet, also kann man es nicht leugnen.”

            [YouTube-Video: Es gilt das gesprochene englische Wort.]

            Prof. Dr. Jordan B. Peterson (2021, März 1). Jonathan Pageau im Gespräch mit Jordan Peterson: The perfect mode of being | Jonathan Pageau | EP 156 [YouTube-Video]. Abgerufen am 25. November 2024 von youtube.com/watch?v=2rAqVmZwqZM

  2. „Seit einigen Jahren haben wir ein Problem mit menschenverachtenden Hassverbrechern – fanatischen, fundamentalistischen Menschen, die gezielt Minderheiten fertig machen und durch ihr eigenes Handeln eigentlich ihr Grundrecht, z. B. auf Religionsfreiheit, verwirkt haben.
    Christen also, die heute noch dasselbe glauben wie vor zehn Jahren, weil sie die überarbeitete Neuauflage der Bibel verpasst haben. Überspitzt gesagt, kann man das so oder so ähnlich immer wieder auf Social-Media-Plattformen lesen. Anwesende ausgenommen.

    Je nach Sozialisation gerne auch mit Nazis verglichen. Bei Letzteren stehe ich als alter weißer Mann (Jahrgang 1969, bisher FDP-Wähler) vor der Frage, wie ich meinen zwei Enkelkindern den Unterschied zwischen Nazi-Christen und Nazis wie z. B. Josef Mengele erklären soll – dem Lagerarzt in Auschwitz, der grausame Menschenversuche durchführte. Beide werden als Nazis bezeichnet, und die Bezeichnung „menschenverachtender Hassverbrecher“ ist bereits vergeben.

    (Zitat) „Es ist die Erhebung des beschränkten Eigenwillens in den höchsten denkbaren Rang … der ultimativen Freiheit. «Ich kann mich an die Werte halten, für die ich mich entscheide» … bevor Sie Gott für seine Unzulänglichkeit anklagen.”

    Jordan B. Peterson (2024, 28. November). Gott – Das Ringen mit einem, der über allem steht (1. Aufl., S. 119 f.). Fontis. (Originaltitel: We Who Wrestle with God, 2024, 21. November).

    Und nun also auch Jordan Peterson – total menschenverachtend, rechts und das ganze Programm. Ich sehe ihn durchaus kritisch, aber muss es verbal gleich zum Äußersten kommen? Haben wir überhaupt noch Worte für Menschen wie Josef Mengele übrig?“

    Michael Schalter (Meckenheim/Pfalz)

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    • Danke für deinen Einwurf, Michael. Ja, es gibt viele Zuspitzungen in der politischen Polemik, die nicht hilfreich sind. Differenzierungen sind wichtig.
      zu Jordan Peterson: In den letzten Jahren hat er sehr entschieden die Politik befürwortet und vorbereitet, die Donald Trump gegenwärtig betreibt. Das ist schon nicht mehr konservativ, sondern rechts. Hier mal eine Differenzierung, wie ich diese Begriffe verwende, bzw. wie sie in den Politikwissenschaften mehr oder weniger verwendet werden.
      Ich unterscheide deutlich zwischen konservativ und rechts.
      Konservativ ist: Traditionsorientiert, Verbindung von Marktwirtschaft und sozialer Verantwortung, Verwurzelung im christlichen Erbe Alteuropas, Westorientierung, Ablehnung von kommunistischen und faschistischen Extremisten, patriotisch, Betonung von Familienwerte und Eigenverantwortung.
      Rechts ist: Politische Weltsicht der Ungleichheit. Nationalismus statt Patriotismus, Neigung zu Diffamierung, Abwertung queerer Menschen, Dauerkritik an allem, was mit Vielfalt, Gender oder Queerness zusammenhängt. Spaltung der Gesellschaft in Volksangehörige und bleibend Fremde trotz Staatsbürgerschaft.
      Rechtsradikal ist eine Weltsicht, in der solche rechten Themen durchgängig verwoben sind.
      Rechtsextrem wird davon in Deutschland noch einmal abgegrenzt: Rechtsextrem sind Menschen oder Gruppen, die aktiv die freiheitliche Demokratie und den Rechtsstaat ablehnen und bekämpfen. Hier liegt die Wasserscheide, wer vom Verfassungsschutz beobachtet wird und eventuell Einschränkungen erfahren kann. Siehe die aktuellen Einschätzungen z.B. zur AfD Jugend als “gesichert rechtsextrem”.
      Dahinter gibt es ja noch mal ein breites Spektrum der Steigerung.
      Faschistisch sind Gruppierungen, die einen totalitären Staat befürworten, Aufhebung der individuellen Grundrechte und ein Wahrheitsmonopol der Staatsmacht in allen Bereichen (Medien, Bildung, Wissenschaft) durchsetzen.
      Nationalsozialistisch ist eine Haltung, die nicht nur einen totalitären Staat errichtet, sondern aggressive Politik der Vernichtung von Menschen und Menschengruppen betreibt, gemäss rassistischer oder antisemitischer Ideologie. Ein erheblicher Teil der Deutschen hat 1933-45 eine nationalsozialistische Politik betrieben, ermöglicht oder zugelassen.
      Und dann ist ja noch mal zu steigern, wer beteiligt war: an Handlungen, die als Angriffskrieg gelten; an Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung, an Bruch des Völkerrechts, an genozidalen Aktionen und schliesslich an Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Hier sind wir bei der letzten Stufe dann bei Mengele.
      Alles in allem finde ich, Peterson kommt mit rechts bzw. radikal nicht sehr extrem weg…
      Liebe Grüsse, Thorsten Dietz

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  3. Jordan Peterson gehört für mich zu jenen reaktionären Kulturkämpfern, die Fritz Stern klarsichtig analysiert hat und die den geistigen Boden für den Faschismus mit bereitet haben.
    Fritz Stern: Kulturpessimismus als Politische Gefahr: Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland

    Das heißt nicht, dass J.P. nicht ein kluger Mann sein könnte, von dem man nichts lernen könnte, aber Menschen wie er sind höchst ambivalent und nicht ungefährlich. Man muss genau hinschauen bei ihm, was man genau von ihm übernehmen möchte.

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