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 Lesedauer: 4 Minuten

Von Super-Einhörnern in der Super League

Zwölf europäische Fussballklubs wollten eine ganz eigene Super League gründen. Eine elitäre Vereinigung von Spitzenklubs, die Crème de la Crème des Fussballs, ein Destillat der bestehenden UEFA Champions League, die schnellsten Einhörner im Stall.

Natürlich ein taktischer und politischer Schachzug, um mehr Einnahmen für die Pandemie-geschädigten Finanzkassen zu generieren. Weniger Spiele, mehr Einkünfte, unter Umständen auch eine verkürzte Spieldauer, die künftig die arg lädierten Fussballermuskeln geschont hätte.

Denn die zuschauenden Fans würden nach Meinung der Projektgründer jünger und ungeduldiger werden, möchten schneller unterhalten werden und nur noch die Top-Spiele sehen: Barça gegen ManU, City gegen Real.

Die Super League hätte ein bisschen wie Tinder werden sollen, aber mit Panini-Bildern in echt.

Nun, die Revolution ist gescheitert, bevor sie richtig loslegen konnte. Nach heftigem Widerstand haben zunächst die englischen Fussballklubs kalte Füsse bekommen und sich vom Projekt zurückgezogen. Dann ist das Kartenhaus in sich zusammengefallen.

Das ist unerhört!

Natürlich fielen die Repliken der UEFA und der FIFA harsch aus. Denn die Super League hätte eine direkte und gefährliche Konkurrentin für Fernseh- und Werbegelder werden können.

Zynisch, dass gerade aus der UEFA- und FIFA-Ecke laute Töne in Sachen «Ethik und Moral» kamen und auf die Geldgier der Spitzenklubs hingewiesen wurde…

Korruptions- und unzählige Bestechungsvorwürfe in den eigenen Reihen, eine vergebene Weltmeisterschaft in Katar mit laschen Kontrollmechanismen und tausenden Toten unter den Bauarbeitern (gemäss Guardian 6’500 Menschen), suspendierte Ex-Bosse, die sich (mutmasslich) persönlich bereichert haben und mit laufenden Verfahren (Betrug und Unterschlagung) zu kämpfen haben, ein Verein (FIFA), der zwar nicht steuerbefreit ist, aber viel weniger als Kapitalgesellschaften zu zahlen hat. Der Bundesrat gab es auf Anfrage der Nationalrätin J. Badran preis.

Hinzu kommen die unnötige Erfindung zusätzlicher Wettbewerbe, wie die UEFA Nations League (wenn gerade keine Europa-und Weltmeisterschaften stattfinden) und die geplante Vergrösserung der Gruppen für die Weltmeisterschaften. Mehr Spiele und mehr Brot dank gesteigerter Fernseheinnahmen.

Nur die Brötchen werden ungleich verteilt, gehen vorwiegend an Funktionäre und Freunde von Funktionären und Sponsoren.

Auch Gianni Infantino sollte somit als FIFA-Präsident vom hohen Einhorn (pardon: Ross) runterkommen.

Ein bisschen mehr Super für alle!

Wir kennen nur eine Richtung: höher, weiter und reicher. Und dies in praktisch allen Gesellschaftsbereichen. Wieso nicht eine neue Super Church gründen? Mit Direktübertragungen und verkürzten Gottesdiensten (1 Halbzeit à 45 Minuten muss reichen), lukrativen Sponsoringverträgen und Product Placement? Lebensversicherungen fürs Jenseits, Alpha- und Omega-Uhren im Angebot, Kanye West als Gast-Prediger, Musik von Genesis im Hintergrund (ja, Phil Collins ist live dabei und spielt Schlagzeug). Und einer Superkollekte ab CHF 100.-.

Und was wir auf alle Fälle brauchen könnten, wäre eine Super-Bundesrätin mit Verwaltungsratsgarantie, 6-sprachig einsetzbar, 20 Stunden pro Tag betriebsbereit und mit Elektromotor. Und natürlich auch ein Super-Tesla, der nicht Atomstrom frisst, sondern wieder Benzin vom Bio-Extravergine-Erdöl.

Ein:e Super-Superheld:in (Spiderman, Superman, Wonder Woman, Aquaman, Batman und Iron Man in einem…), ein Transgender-Superwesen, politically correct, denn das Marvel- und DC-Universum will ich nicht getrennt konsumieren, sondern simultan erleben. Am besten auf einer einzigen Super-Plattform. Ein Super-Netflix mit nur 20 sehenswerten Filmen. Was schreibe ich da? Ist natürlich bereits so.

Vielleicht ein Super-Twitter mit lediglich 10 Satzzeichen, denn «wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen»?

The Sky is the Limit

Auch in der Medienbranche sind nur die wirklich grossen Storys gefragt. Vielleicht brauchen wir doch eine Super-Verschwörung, die alle anderen beinhaltet: Bill Gates hat Microsoft gegründet, um anschliessend die WHO zu übernehmen und Bluttransfusionen von Reptilienkindern auf der dunklen Seite des Mondes mit Corona-Microchips zu vollziehen.

Superspreader haben wir schon. Aber einen Vorgesetzten der Superspreader noch nicht. Die Placebo-Superimpfung für Ueli Maurer, die auch imaginär wirkt, ebenfalls nicht.

Eine lokale Super-Steueroptimierung für global tätige Supermultinationale (als Ersatz für die gängige Steuerhinterziehung). Eine Idee wird schon kommen. Kommt Zeit, kommt Verwaltungsrat. Ob bei der Ruag oder der Lindt ist egal. Hauptsache die Dividenden sind super. Eine Super-Schokolade gibt es übrigens schon, Chocolat von Dieter Meier: Minimalistisches Geschäft für einzigartige, mit speziellem Kalt-Extraktions-Verfahren hergestellte Schokolade.

Wir möchten am liebsten ein lebendiges Super-Einhorn mit einem Baby-Einhorn im Bauch. Ein trojanisches Super-Einhorn. Oder doch Zwillings-Einhörner? Wir möchten es jagen, dieses seltene Einhorn. Und eigenhändig erschiessen. Und an der Wand des Superlofts aufhängen.

Vielleicht eine Super-Redimensionierung?

Wieso sind die übertriebenen Spieler- und Managerlöhne im Fussball nicht das Hauptthema der Diskussion? Wieso sollten nicht Lohnobergrenzen (Salary Caps) definiert werden? Wieso gibt es Spielervermittler, die bei jedem Transfer Millionen scheffeln? Was Mino Raiola als Handgeld verlangt, ist schlicht skandalös.

Redimensionieren lautet vielmehr die Devise. Eine Super-Redimensionierung. Und nicht nur in diesem Bereich. Denn Fussball bleibt die schönste Nebensache. Eben eine Super-Nebensache.

 

Illustration: Rodja Galli

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