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 Lesedauer: 4 Minuten

Warum ich das Abendmahl liebe

Gottesdienste sind momentan nicht möglich. Mir fehlt da, wenn ich ehrlich bin, nicht viel, ich gehe ohnehin nicht sehr häufig hin. Womit ich nicht sagen will, dass ich Gottesdienste überflüssig finde: Ich beschäftige mich nur im Theologiestudium schon unter der Woche ständig mit dem Glauben an Gott, da reicht es dann auch mal.

Häufig habe ich aber in den letzten Jahren den kurzen Studierendengottesdienst unter der Woche besucht. Der läuft immer gleich ab, die Predigt ist angenehm kurz, und es gibt jedesmal Abendmahl. Denn wenn ich mal eine Weile gar nicht in die Kirche gehe, fehlt mir vor allem das.

Das Abendmahl ist der Ort, wo ich nicht nur denke, meditiere, bete, schreibe oder spreche, sondern mein Christ-Sein fühle, schmecke, rieche.

Sinnlichkeit von Brot und Wein

Mich berührt es jedesmal: Wenn mir die Person, welche reihum im Kreis Brot und Wein verteilt, in die Augen schaut, während sie mir „Vergebung für dich“ oder „Kraft zum Leben“ zuspricht. Wenn ich einen grossen Schluck Wein nehme, das Stück Vollkornbrot kaue, während die noch-nicht- oder micht-mehr-Kauenden im Kreis Taizé-Lieder singen.

Was für andere gerade wegen dieser geballten Sinnlichkeit beklemmend, negativ konnotiert oder nichtssagend sein mag, verbinde ich seit früher Kindheit positiv.

Meine Mutter, Pfarrersfrau und ehemalige Bäcker-Konditorin, hat häufig selber für die Gemeinde Abendmahls-Brot gebacken. Es war Zopfbrot in einer Cakeform, also wie ein grosses Toastbrot, das dann in saubere kleine Stückchen geschnitten wurde. Am Abendmahl nahmen wir Kinder noch nicht teil. Aber wir assen beim Sonntagsbrunch die Brotrindenstücke, die sie weggeschnitten hatte, mit viel Butter und Konfi – das Beste!

Jesus schöpft Lasagne

Einmal war ich auf einer Reise in einem ganz kleinen Gottesdienst. Der Pfarrer bat uns vor dem Abendmahl alle, mal kurz die Augen zu schliessen. Wir sollten uns vorstellen, wie wir mit Jesus und einer Gruppe von Menschen beim Abendessen sitzen. Wie sähe das aus? Welche Stimmung herrscht?

In meiner Vorstellung haben wir in meiner damaligen WG zwei Tische zusammengeschoben und alles Geschirr herbeigeholt, das wir besitzen, denn es sind viele Gäste da. Die einen sitzen schon, während ich und ein paar andere noch daran sind, den Tisch fertig zu decken und einzuschenken. Es herrscht eine fröhliche, bunte Unruhe und der Raum ist so voll, dass ich mich hinter den Stühlen etwas durchzwängen muss. Jesus steht in meiner Vorstellung auf der anderen Seite des Tisches. Er schöpft allen von einer grossen, hausgemachten, dampfenden Lasagne; freudig und grosszügig.

Ich mag dieses Bild, nach wie vor.

Geborgen im Mysterium

Aber schon von allem Ursprung an war das Abendmahl nicht einfach ein Essen: Es handelte sich um das Passahmahl, mit dem Juden jedes Jahr der Befreiung ihres Volkes aus Ägypten gedenken. Mit dem, was Jesus sagte (nachzulesen z.B. im Lukas-Evangelium), gab er seinen Nachfolgern einen neuen „Gedenk-Auftrag“ für dieses rituelle Essen: Sie sollten sich in Zukunft bei Brot und Wein an ihn erinnern, seiner gedenken (eine Formulierung, die den bevorstehenden Abschied schon in sich trägt).

Das Abendmahl ist in den reformierten und pietistischen Kirchen ein ungewohnt sinnliches Element. Es enthält viele Geheimnisse: „Nehmt und esst, das ist mein Leib“ – „Mein Blut, für euch vergossen“, darüber höre ich hinweg. „Christus essen“, wie es die katholische und lutherische Theologie sagt, finde ich befremdlich. Für mich sind Brot und Wein ein Symbol.

„Our God is in the business of transforming ordinary things into holy things.“

Das schrieb Rachel Held Evans in ihrem wunderbaren Buch „Searching for Sunday“ [1]. Und so kann ein Teller Lasagne, Zopfbrotrinde mit Butter, ein Stück Vollkornbrot zu einer Begegnung mit dem Heiligen werden.

„Tut dies zu meinem Gedächtnis“, höre ich die 2000 Jahre alten Worte, und tauche ein in die rätselhafte Faszination, die Jesus Christus seither auf so viele Menschen ausübt.

Abendmahl trotz „physical distancing“

In diesen Wochen versuchen Pfarrpersonen und Kirchenmitarbeitende sich vorzustellen, wie Abendmahl mit „physical distancing“ gefeiert werden könnte, während Predigten problemlos als Podcast oder Videoübertragung gehört werden können. Theologisch kann man darüber streiten, ob das beim Abendmahl auch geht. Einige sehen das ganz seelsorgerisch-pragmatisch, Pfarrerin Birgit Mattausch etwa hat einen berührenden kurzen Text dazu auf ihrem Blog veröffentlicht.

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr fehlt mir das Abendmahl, diese geschmeckte Begegnung mit dem Heiligen. Ich versuche mir innerlich die Worte vorzusagen, die dazu gehören; bruchstückhaft bringe ich sie zusammen. Und vielleicht schliesse ich beim nächsten Glas Wein mal kurz die Augen, nehme einen grossen Schluck, mitten in dieser verrückten Welt: „Zu meinem Gedächtnis.“

 

[1] Leseempfehlung! Rachel Held Evans: „Searching for Sunday. Loving, Leaving, and Finding the Church“ (2015), Deutsch: „Es ist kompliziert: Wie ich glaube, ohne zu verzweifeln“ (2016).

Photo by Nathan Dumlao on Unsplash

5 Kommentare zu „Warum ich das Abendmahl liebe“

  1. Arsenij Zakharov

    Und warum sagt Jesus dann selbst: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm“??
    Das Abendmahl war im ersten Jahrtausend im Christentum nie nur Symbol und Erinnerung, sondern immer ein heiliges Sakrament, bei dem wirklich Fleisch und Blut unseres Erlösers Jesu Christi zu sich genommen wurden. Warum manche Leute plötzlich anfingen, daran zu zweifeln und dieses heilige Sakrament plötzlich nur als Symbol und Erinnerung betrachteten, ist mir völlig unverständlich. Mit welchem Recht kann so etwas behauptet werden, wenn für die Aposteln und ersten Christen gar kein Zweifel darin bestand, dass es sich tatsächlich um Leib und Blut Christi handeln?? Einfach willkürlich so entschieden nach über tausend Jahren? Der größte Fehler ist es, wenn Christen meinen, ihren Glauben an die Zeit in der sie leben, anpassen zu müssen. Dann bleibt am Ende nichts mehr vom Glauben übrig. Das heilige Sakrament des Abendmahls ist für viele also nur noch Symbol und nicht wahrhaftig das Fleisch und Blut des Erlösers. Was kommt als nächstes? Die Einsicht, dass Jesus gar nicht leiblich auferstanden ist, sondern das nur symbolisch gemeint ist? Gut, dass es noch Kirchen (orthodoxe, katholische) gibt, die nicht bei diesem Modernisierungswahn mitmachen, sondern die Lehren und Mysterien des Christentum wie einen heiligen Schatz behüten.

    1. Evelyne Baumberger

      Lieber Arsenij, danke für den Kommentar und das engagierte Lesen. Über diese Frage zu diskutieren, erscheint mir nicht sinnvoll, da sich darüber – wie du selber erwähnst – schon ganze Kirchen gespalten haben. Schön, dass du für dich die Kirche gefunden hast, in der du dich aufgehoben fühlst. Ich wünsche dir noch eine gesegnete Fastenzeit und dann frohe Ostern!

    2. Lieber Arsenij
      Auch senn es dir vielleicht ein wenig Sicherheit nimmt: Erstens war das Christentum in seinen Anfängen vielfältig, bevor eine seiner Richtungen sich mit dem Kaisertum verbündete und eine zentralistische Struktur erhielt. Es gab daneben aber immer auch andere Strömungen.
      Zweitens hat Jesus das sicher nicht so gesagt, zumindest nicht auf Deutsch. Und wie das auf Aramäisch getönt hat, in seiner Muttersprache, das können wir nicht mit Sicherheit sagen. Jesu Worte sind auch im griechischen Neuen Testament keine wörtlichen Zitate. Die hellenistische Kultur, in die hinein Jesu Worte übersetzt wurden, war nun einmal eine andere Kultur mit anderen Denkformen als die semitische Kultur, in der Jesus lebte und lehrte und zu der alle seine Jüngerinnen und Jünger gehörten.
      Die Übersetzung war nötig, sicher, damit sich das Christentum ausbreiten konnte. Aber jede Übersetzung wird von Menschen gemacht und jede Sprache hat ihre Eigenheiten und Ausdrucksweisen, die sich nicht einfach eins zu eins in eine andere Sprache übertragen lassen.
      Darum kommen wir zu einem unterschiedlichen Verständnis gewisser Schriftstellen. Was endgültige Wahrheit ist, weiss allein Gott und wir Menschen sollten nicht darüber richten.
      Abgesehen davon ist Jesus selbst kreativ mit heiligen Schriften umgegangen. In Abwandlung einer seiner Aussagen: Der Mensch ist nicht für die Bibel da sondern die Bibel für den Menschen.
      Wenn die einen besser mit einem wörtlichen Verständnis von Abendmahl zu Gott finden und die anderen besser mit einem symbolischen Verständnis, dann lassen wir es doch geschehen! Frohe Ostern, Christus ist auferstanden!

  2. Daniela Boelsterli

    Ich glaube, das Mysterium bleibt, auch wenn man das Abendmahl als Symbol versteht und glaubt, dass die Auferstehung nicht wirklich physisch geschah. Was bleibt, ist das grosse JA Gottes zu seinen Geschöpfen; das ist für mich das Zentrum des Glaubens.

  3. Arsenij Zakharov

    Lieber Joachim,

    man kann über viele Dinge im Christemtum streiten, wie und weswegen sie entstanden sind und mir ist klar, dass es da viele Interpretationen gibt. Hier kommt es sicherlich darauf ein, welche Bedeutung man den kirchlichen Konzilen beimisst.
    Was aber das Abendmahl angeht, kann ich dir nicht zustimmen. Schon Apostel Paulus lässt in seinen Briefen zu den Korinthern keine Zweifel daran, dass es sich dabei um ein heiliges und mystisches Sakrament handelt. Wir reden hier von den ersten christlichen Gemeinden überhaupt. Darüber hinaus: Von welchen anderen christlichen Gruppierungen sprichst du? Sektenartigen Randgruppen wie die Gnostiker oder die Arianer? Ich denke wir dürfen uns einig darüber sein, dass das Abendmahl für den überwiegenden Teil der Christen ein Sakrament war, wenn schon Paulus davon spricht und es historisch überhaupt keine Hinweise darauf gibt, dass daran gezweifelt wurde. Diese Frage wurde nicht einmal in den ersten Konzilen aufgeworfen, was darauf schließen lässt, dass das Sakrament als solches, die Wandlung von Brot und Wein, gar nicht angezweifelt wurde. Auch die ersten aller Kirchenväter wie Irenäus von Lyon sprechen bereits Anfang des zweiten Jahrhunderts vom heiligen Sakrament der Eucharistie. Warum also das Abendmahl plötzlich nicht mehr als Sakrament sondern nur als Symbol gesehen wird, erscheint mir mehr als unverständlich.
    Nun zu den Worten Jesu: Sie sagen, dass hat Jesus sicherlich nicht so gesagt und die Griechen haben das umgedichtet. Woraus schließen sie das? In dieser Stelle des Johannes-Evangeliums wird sogar gesagt, dass die meisten Juden völlig entsetzt über seine Worte vom „Fleischessen und Bluttrinken“ waren. Johannes beschreibt also sogar einen resultirenden Konflikt aus Jesus Worten. Warum sollte sich das nicht genauso zugetragen haben wie bei Johannes beschrieben? Und wenn sie daran zweifeln, müssten sie dann nicht jedes einzelne Wort in den vier Evangelien umdrehen und anzweifeln. Was bleibt danach übrig von der frohen Botschaft? Und spielt es für Sie keine Rolle, dass das Johannes-Evangelium immerhin den Weg in den Kanon gefunden hat? Dafür muss es ja Gründe gegeben haben.
    Ich freue mich über diese lebhafte und interessante
    Diskussion und wünsche euch natürlich auch frohe Ostern! Christus ist wahrhaftig auferstanden!

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