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 Lesedauer: 3 Minuten

Virus vs. Gott

Gestorben wird immer. Aber jetzt gerade schauen wir an unzähligen Livetickers gebannt dabei zu. Um Gottes Willen. Das darf doch nicht wahr sein! Wieder 700 Tote in Italien. Es wird einem Angst und Bang. Und ja, es gibt immer auch jene, die bereit sind, solche Schicksale in einen grossen Plan einzuordnen (Gott straft uns. Die Endzeit bricht an.) oder in der Pandemie Gottes pädagogisches Geschick zu erkennen. Aber von all diesen Verlegenheiten will ich jetzt gar nicht reden.

Unsere Gottheiten

Ich glaube nämlich, die Frage nach Gottes Gerechtigkeit angesichts des Bösen, ist das beste Argument gegen Gott. Gott, der Herr, «der alles so herrlich regieret», hat unser Vertrauen offensichtlich nicht verdient. Und das ist gut so. Und das ist manchmal auch schmerzhaft. Aber das wissen wir längst. Gott lässt zu, dass Kinder verhungern, Frauen vergewaltigt und Männer zu Tode gefoltert werden – es können auch Kinder vergewaltigt und Frauen gefoltert werden und Männer verhungern und es gibt Menschen, die als Kind gehungert haben, als Erwachsene vergewaltigt worden sind bevor man sie zu Tode gefoltert hat. Das ist zwar furchtbar, aber nicht unausweichlich. Es geschieht auf Grund dessen, was wir tun und unterlassen. Aber ein Tsunami, ein Virus oder ein Erdbeben sind nicht auf menschliches Verhalten, sondern auf die Beschaffenheit der Welt zurückzuführen. Und man könnte sagen: Wenn Gott nicht würfelt, so verteilt er mindestens die Karten nicht sehr fair.

Äusserst verwirrend…

Man und vor allem Frau hat deshalb nach den Schrecken zweier Weltkriege diesen preussischen Gott durch eine mütterlichere Figur ersetzt, die zwar nicht ganz so mächtig, dafür aber viel liebevoller ist. Diese Gottheit will unser Bestes, hat aber die Möglichkeit dazu in unsere eigenen Hände gelegt. So bleibt ihr nicht viel mehr, als mit uns zusammen zu hoffen. «Dein Wille geschehe» wird dann mehr zum Anfeuerungsruf, als zur Bekundung eigener Hingabe. Diese Variante gibt es auch für die Nerds unter den Denkern. Das heisst dann Prozesstheologie und ist im Selbstverständnis ihrer Anhänger*innen höchst rational. Aber auch etwas blutleer. Viel sinnlicher geht es da bei denen zu, die an mehrere Götter glauben. Gott liegt dort im Streit mit einem Widersacher, der die Menschen zu Grausamkeiten verführt, Krankheiten über sie bringt und sie mit Hagel, Missernten und Tsunamis quält. Das ist beängstigend und vielleicht hat diese Angst dazu geführt, dass diese Christ*innen tendenziell mehr singen als andere. Das Leben kommt dann als eine zeitliche Bewährungsprobe in den Blick, die darüber entscheidet, ob man es in der kommenden Ewigkeit – auch das ist äusserst verwirrend – mit Gott oder seinem Widersacher zu tun haben wird.

Irgendwie auch Macht

Alle diese Zugänge haben etwas für sich: Der Preussen-Gott gibt Sicherheit, die Mutter-Gottheit schenkt emotionale Nähe (und stellt eine tolle Projektionsfläche für Ablösungsängste dar), die Nerd-Gottheit hilft Handlung von Wirkung zu unterscheiden und der Teufel erinnert an das Jesus-Wort: «Mein Reich ist nicht von dieser Welt.» Das Schöne am Glauben ist, dass er uns nicht zwingt ein für alle Mal zu wählen. Glauben ist wie hoffen, nur dass man manchmal gar nicht genau weiss, was. Darum ist Glaube mehr wie Vertrauen. Manchmal auf den, der alles im Griff hat, manchmal auf die, bei der ich immer willkommen bin. Und für manche auf einen kosmischen Quantencomputer, der alles zur möglichst besten Version lenkt. Irgendwie. Oder einen Gott unter anderen, der wie Prometheus für uns kämpft gegen die bösen Götter.

Ohnehin: Wir sollen uns ja kein Bild von ihr machen. Oder anders: Wir brauchen vielleicht viele verschiedene Bilder. Und so lange ich eins finde, zu dem ich beten kann, bleibt mein Gott gütig. Und das ist ja auch irgendwie eine Art Macht, oder?

Photo by Matheus Viana from Pexels

5 Kommentare zu „Virus vs. Gott“

  1. angela wäffler-boveland

    Diese Gedanken kommen mir sehr bekannt vor. Danke!
    Und gerade darum mag ich die Vorstellung von der Trinität Gottes, weil Gott eben sehr unterschiedlich begegnen kann; mal von oben herab oder von unten herauf, mal auf Augenhöhe und mal inspirierend, ermächtigend … ich brauche sie alle

  2. Und wenn der Papst angesichts des ganzen Elende unserer Zeit alle Menschen und Religionen zum BETEN auffordert, wird mir klar, wie „widersinnig“ das für mich ist. Entweder ich nehme alles als Gottes Willen hin und „schicke mich gehorsam drein“, oder ich schliesse, dass Gott „nichts damit zu tun“ hat oder haben will und „hoffe“ also nicht auf ihn. In beiden Fällen nehme ich das Elend einfach an, sofern ich – auch mit anderen zusammen – nichts dagegen tun kann. Nehme es auch hin, dass ich Gott nicht manipulieren kann. Voilà.

  3. So glaube ich nicht an Strafe, sondern einen Weckruf, dass wir nicht so weitermachen dürfen.
    Das Miteinander-, Füreinanderdasein scheint mir gefragt.
    Egoismus ade, sage ich da nur.
    Mir fällt da das Lied ein :“ A Mensch mecht i sein, zu kaner Nummer mecht i wern……usw:

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