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Reue Gottes: Ändert Gott seine Meinung?

Es hat LeserInnen immer wieder verstört, dass an zahlreichen Stellen der Bibel von der Reue oder vom Gesinnungswandel Gottes die Rede ist.

Und zwar nicht irgendwo am Rand, in obskuren Ausnahmetexten, sondern gerade an zentralen Wendepunkten der Geschichte Gottes mit den Menschen.

So etwa zu Beginn der Erzählung von der großen Flut. Hier blickt Gott auf die Bosheit und Verdorbenheit der Menschen – und bereut es bitterlich, sie überhaupt erschaffen zu haben (1Mo 6,6f). Gewissermaßen umgekehrt läuft die Sache dann in der Geschichte vom goldenen Kalb: Gott verspricht Mose, sein Volk für ihren Götzendienst mit dem Tod zu bestrafen – aber nachdem Mose um die Verschonung Israels gebetet hat, bereut Gott seine unheilvollen Absichten und verschont sein Volk vor dem Gericht (2Mo 32,14). In der Geschichte des ersten Königs für Israel bereut Gott dann seine Entscheidung zur Krönung Sauls, weil dieser sich in seinem Amt offensichtlich nicht bewährt (1Sam 15,11.35). Positiv überrascht scheint Gott dagegen von der Bevölkerung der Stadt Ninives zu werden: nach der Bußpredigt des Propheten Jona wenden sich alle Bewohner dem Gott Israels zu, worauf dieser die Ankündigung ihrer Vernichtung unerfüllt bleiben lässt (Jona 3,9f).

Das sollten wir uns schon einmal auf der Zunge zergehen lassen:

Die Bibel mutet uns an mehreren Schlüsselstellen einen Gott zu, der im Angesicht aktueller Entwicklungen seine eigenen Vorsätze zurücknimmt oder sein eigenes Handeln bedauert!

In der Geschichte der Theologie hat man sich an diesen Stellen dann auch regelmäßig die Zähne ausgebissen. Manche Kommentatoren und Auslegerinnen der Bibel lesen elegant über diese Texte hinweg – andere erklären, dass Gott hier natürlich nicht beschrieben wird, wie er eigentlich ist.

In Wirklichkeit kann Gott selbstverständlich nichts bereuen, weil er ja unveränderlich ist und die ganze Geschichte der Menschheit immer schon »von oben« im Blick hat.

Die Frage ist aber natürlich, woher diese TheologInnen so genau wissen, wie Gott wirklich und eigentlich ist, und wie man diese eigenartigen Texte also auf keinen Fall verstehen sollte.

Wer die Geschichte Gottes mit Israel und der Gemeinde betrachtet – durch alle Irrungen, Sackgassen und Extrarunden hindurch – kommt jedenfalls nicht so schnell auf die Idee, dass alles nach einem geradlinigen und vorgefassten göttlichen Plan abläuft, den Gott von Anfang an aus der Perspektive zeitloser Ewigkeit im Blick hatte.

Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass Gott die Menschen ernst genug nimmt, um sich von ihrem Handeln beeinflussen und mancherorts sogar zur Reue bewegen zu lassen.

In der Jonaerzählung wird die Reue Gottes darum als eine wesentliche Qualität Gottes beschrieben und in seiner Liebe begründet: »Ich wusste, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langsam zum Zorn und groß an Güte, und einer, der sich das Unheil gereuen lässt« (Jona 4,2). Eben weil Gott die Menschen so am Herzen liegen, lässt er sich immer wieder umstimmen…

 

Dieser Beitrag ist einer von mehreren theologischen Exkursen, die im Buch «Gott hat keinen Plan für dein Leben… Aber 1’000 Möglichkeiten, mit dir ans Ziel zu kommen» eingestreut sind. Das ist keine theologische Abhandlung für Fachkreise, sondern ein kurzes, mit vielen Geschichten und reichlich Humor gespicktes Buch für alle. Es macht Mut, in einer komplexen Welt nicht an der Vielzahl von Möglichkeiten zu verzweifeln und auch nicht nach dem einen (!) Willen Gottes zu suchen, sondern zuversichtlich nach vorne zu scheitern…: Bestellbar direkt beim Verlag und überall wo’s Bücher gibt.

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6 Kommentare zu „Reue Gottes: Ändert Gott seine Meinung?“

  1. Also im alten Testament kommt mir Gott ziemlich eifersüchtig, widersprüchlich und wankelmütig vor: er straft Adam und Eva nicht mit dem Tod, wie er gedroht hat (die Schlange weiss das, die kennt ihren Chef offensichtlich), er bevorzugt Abel vor Kain ohne ersichtlichen Grund und befeuert so den Bruderzwist, der in Mord endet, er zerstört mal die Schöpfung mit der Sintflut und hat dann doch ein schlechtes Gewissen, er macht Saul „wahnsinnig“, weil der nicht den Bann bzw eine ganze Stadt auslöschen will… und und und…es sieht so aus, als hätte er überhaupt keinen Plan und wüsste nicht so recht, was er mit seiner Schöpfung anfangen sollte. Würde man den Begriff Gott hier durch irgendeinen Namen ersetzen, hätte man die beste Sex and crime Story; klar beisst sich das mit dem gr. philosophischen Bild des Göttlichen als dem Ewigen, Wahren und Schönen, dem Gutem ganz zu schweigen… vielleicht geht das auch gar nicht und wir christlichen Theologen versuchen hier seit Jahrhunderten Katze und Hund zu kreuzen…Jahwe ist wohl eher eben eher eine Romanfigur, d.h. von Menschen beschrieben und gedacht und keine wirkliche Entität…oder erlebst Du das Göttliche oder eben Gott so wie im AT? Ich sicher nicht… deshalb thrillt mich dein Buch eben nicht so, weil es sich aus meiner Sicht nur um eine Gedankenspielerei handelt, die nichts mit der Realität zu tun hat und auch genuin nicht mal biblisch ist; wie mein Lehrer Niklaus Berger immer zu sagen pflegte: „Systematiker kreiren und bearbeiten Probleme, die gar nicht in der Bibel stehen!“

  2. Hans Peter Niederhäuser

    Wie soll ein Gott, der nach dem Bilde des Menschen geschaffen ist, seine Meinung nicht ändern dürfen? Das ist doch schliesslich ein fundamentales Menschenrecht. Deine Überlegungen, Manuel, haben mir das Buch von Jack Miles „Gott. Eine Biographie“ (1995) wieder in Erinnerung gerufen. Das hat mich damals zu deiner Fragestellung sehr angeregt.

  3. Die alte Geschichte, der alte weisse Mann mit dem langen Bart auf dem Thron sitzend, auf jedem Planeten im Kosmos müsste ja ein eigener „Planeten-Gott“ existieren, absurd, nur absurd. Ein Schöpfer der seiner Schöpfung von aussen beobachtet, erstaunlich wie die Kirche immer noch in den uralten Glaubensmuster ruht, schade, denn wie soll sich die Menschheit weiterentwickeln um den grossen Herausforderungen zu begegnen?

    Swami Vivekananda meinte: «So lange Religion in den Händen einiger Auserwählten oder der Priesterschaft lag, ruhte sie in Tempeln, Kirchen, Büchern, Dogmen, Riten und Zeremonien. Aber wenn wir sie in ihrem wirklichen, geistigen, universalen Sinne erfassen, dann, und nur dann wird Religion wahr und lebendig werden, sie wird in uns strömen, in jeder unserer Bewegungen leben, jede Pore unserer Gesellschaft durchdringen und unendlich mehr Gutes schaffen als je zuvor. Der erste Schritt hierzu ist die Erkenntnis: die gemeinsame Grundlage aller Religionen ist das Streben nach Freiheit.»

    Kein Wort zu der Entwicklung zur christlichen Mystik wie sie auch Karl Rahner vertrat. Aus einer Einführung zur Mystik von Anselm Grün: «Der grosse deutsche Theologe Karl Rahner hat einmal gesagt: «Der Christ der Zukunft ist ein Mystiker, er ist einer, der Gott erfahren hat.» oder «Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein oder er wird nicht sein.» Rahner meint mit diesem oft zitierten Wort, dass es nicht genügt, an Gott zu glauben. Der Christ der Zukunft, der für seinen Glauben Rechenschaft ablegen will, braucht die Erfahrung des Glaubens, er braucht die Erfahrung Gottes. Denn ohne Gotteserfahrung können wir in dieser säkularisierten Welt nicht von Gott sprechen. Dann würden unsere Worte über Gott hohl klingen.» Nicht zu verwechseln, die Mystik spricht immer von einem unpersönlichen Gott (das wahre Wesen, Urgrund, Leerheit, etc.). Ich spreche gerne von grenzenloser Liebe, damit ich nicht in Falle „Gott“ tappe.

    Mit seinem Werk ,,Philosophiae naturalis principia mathematica„ legte Isaac Newton im Jahr 1687 den Grundstein des mechanischen Weltbildes. Auch hier blieb die Kirche hängen, und verpasste so die Aussagen der modernen Physik.

    Der Quantenphysiker Hans-Peter Dürr der Herausgeber von „Physik und Transzendenz“: «Es ist ein Buch für alle, die nach ganzheitlicher Erkenntnis streben, wie dies auch das Anliegen der hier vertretenen grossen Denker war. Mit Beiträgen von Albert Einstein, David Bohm, Niels Bohr, Max Born, Werner Heisenberg, Pascual Jordan, Wolfgang Pauli, Max Planck, Erwin Schrödinger, Carl Friedrich von Weizsäcker. Die Autoren haben mit der Entdeckung, Formulierung und Interpretation der Relativitätstheorie und der Quantentheorie die Naturwissenschaften revolutioniert und gelten heute zu Recht als Väter der modernen Physik. Hier kommen die Wissenschaftler nun mit ihrer ganz persönlichen Sicht auf die Zusammenhänge zwischen Naturwissenschaften und Spiritualität zu Wort. Es befasst sich mit den umfassenden philosophischen Konsequenzen ihrer Entdeckung für die heutige Zeit.» Diese eher unbekannte Seite – der grossen Physiker und Mathematiker – mit ihren revolutionären neuen Einsichten, die von Einheit und Liebe sprechen, als letzte Erkenntnis ihrer Arbeit, sehr erstaunlich.

    Wie erreichen wir das Ziel? Etwas überspitzt gesagt, in der Kirche betet der Pfarrer für uns. Wenn wir die mystische Ebene betreten müssen wir selber beten. Wir tragen aber die Verantwortung für unsere Handlungen, der Weg in die Selbstverantwortung. «Setze alle Kräfte ein – Philosophie, Arbeit, Gebet und Meditation. Setze alle Segel, fahre mit Volldampf, und erreiche das Ziel. Je eher, desto besser. Religion darf nicht länger eine Idee, eine Theorie oder Verstandesangelegenheit bleiben, sie muss unser Wesen durchdringen. Sie ist weder Worte noch Lehre, sie ist inneres Erlebnis. Religion ist nicht Hören und Hinnehmen, sie ist Sein und Werden. Das, woran die Seele glaubt, das, was sie anbetet, zudem muss sie werden. Das ist Religion.» sind die klaren Worte Vivekananda`s.

    Brechen wir auf, besten Dank für Ihre Geduld 🙂

  4. Manfred Reichelt

    Zunächst einmal, wenn wir unter Gott des Ursprung alles dessen, was ist, verstehen, so kann dieser Gott NICHT persönlich sein. Er ist, wie ich u.a. in https://www.academia.edu/47776276/Ursprung_und_Ziel_Wie_die_Evolution_weitergeht_ ausführte, das LEBEN AN SICH. Die alttestamentl. Sicht (und weitgehend auch die n.t.) ist antropomorph. Der Mensch erlebte NICHT Gott, sondern die Natur! Diese ist „launisch“ oder, wenn man sie anthropomorph deutet, der Ausdruck von „Gottes“ Handeln.
    Der Mensch befindet sich seit seiner Existenz in einem Bewusstseinsprozess in dem er sich – wenn es gut geht – seiner wahren Natur, die identisch mit dem Ewigen ist, immer mehr annähert. Deshalb ist nicht das „Handeln Gottes“ für den Menschen ausschlaggebend, sondern des Menschen Loslösung von den Naturabhängigkeiten (In der Bibel „Überwindung“ genannt). Nur so wird er endgültig von allen Leiden freiwerden können.

    Die Bibel bildet keine Ausnahme zu den antiken Vorstellungen der Welt, außer, dass sie eben einen einzigen Gott kennt. Aber die vielen Götter der Umwelt, waren genauso „wankelmütig“ wie der Gott der Bibel. Nein, Gott ändert seine Meinung nicht.

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