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Religion am Rand

Überempfindlichkeit

Der Bedeutungsverlust der Landeskirchen ist offensichtlich. Die Kirche verliert laufend Mitglieder. Sie wird kleiner und älter und wahrscheinlich bald auch ärmer. Viele Menschen kümmert das wenig. Sie sind den Landeskirchen gegenüber einigermassen gleichgültig. Andere trifft diese Entwicklung empfindlich.

Der SRF-Kahlschlag

Man konnte dies jüngst im religiösen Lager der kulturaffinen, bürgerlich geprägten Menschen beobachten, als das SRF im Rahmen seiner Spar- und Umbaupläne unter anderem die Streichung der Radiosendungen „Blickpunkt Religion“ und „Zwischenhalt“ ankündigte. In einer Petition fordern sie den „Kahlschlag bei der Religion“ zu verhindern und werfen dem SRF vor, seinen Konzessionsauftrag zu verletzen. Nun mag es viele und auch gute Gründe geben, den Wegfall dieser beiden Radiosendungen zu bedauern. Aber angesichts eines Sparziels von 60 Mio. und einem tiefgreifenden Umbau-Bedarf hin zu digitalen und sozialen On-Demand-Produkten, ist dies sicherlich nicht als Zeichen einer grundsätzlichen Religions- oder Kirchenfeindlichkeit zu deuten.

Bedrohte Grundrechte

Aus einem ganz anderen Lager wird Kritik an den Zürcher Behörden laut. Der Stadtrat hat Anfang Monat bekannt gegeben, dass er den „Marsch fürs Läbe“ vom 18. September 2021 durch die Strassen Zürichs nicht genehmigen will. Er begründet dies damit, dass der Schutz der Demonstrierenden, Polizeiangehörigen und unbeteiligter Dritter kaum gewährleistet werden könne. Die Kundgebung sei darum lediglich als stehende Veranstaltung auf dem Turbinenplatz abzuhalten. Die Sympathisanten dieses Protestmarsches – eher evangelikaler und christlich-konservativer Provenienz – interpretieren dies als unrechtmässige Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit. Als Zeichen des Werte-Zerfalls, einer entchristlichten Gesellschaft. Und sich selbst als verfolgte Minderheit…

Loser-Mentalität vs Realität

Ich finde es durchaus gut, seine Solidarität mit abgesetzten Formaten auszudrücken. Und es ist legitim, für die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit zu streiten. Was mich daran stört, ist die mitleidserregende Selbststigmatisierung als Opfer einer Kultur-, Religions- oder Werte-Vergessenheit.

Wir leben in einer Gesellschaft, die sich exzellente Medien leistet und sie öffentlich finanziert. Das ist eine wichtige soziale Errungenschaft. Nicht zuletzt zeigt sich deren Qualität auch daran, dass sie die Zeichen der Zeit erkennen und die Mediennutzung jüngerer Generationen antizipieren. Solchen Medien vorzuwerfen, dass sie ihren Konzessionsauftrag nicht wahrnehmen, ist unsportlich. Keine der grossen Sendungen – Perspektiven, Sternstunden, Kontext – sind von dem angeblichen Kahlschlag betroffen. Es gibt keinen Kahlschlag.

Und die Evangelikalen werden nicht in ihrem Recht auf freie Meinungsäusserung beschnitten. Die Abtreibungsgegner dürfen sich nächstes Jahr in Zürich besammeln. Lediglich ein Umzug kommt für die Zürcher Stadtregierung aus Sicherheitsgründen nicht in Frage. Das ist nicht das Ende des „Christlichen Abendlandes“, sondern die Mitte einer vernünftigen Demokratie, die ihr soziales Band nicht durch ihre Ränder zerreissen lassen will. Es ist keine Christenverfolgung, sondern Wahrung des öffentlichen Friedens.

Über den eigenen Tellerrand

Religion ist für viele zur Beilage geworden. Als Kultur bleibt sie geniessbar. Als Ideologie ist sie bitter. Vom Rand aus müsste es leicht sein, über den eigenen Tellerrand zu blicken. Dort könnte Religion das leisten, was jede gute Beilage schafft: Die Hauptsache besser zur Geltung bringen. Die Hauptsache ist eine gemeinsame, auf Verständigung ausgerichtete Kultur. Dazu passt eine Petition oder ein Aufmarsch wie das Salz und das Fett zu den Pommes frites: Es macht langweilige Kartoffeln zu leckerem Junk-Food. Nur nicht überdosieren. Und bitter sollte man dabei nicht werden.

4 Kommentare zu „Religion am Rand“

  1. Wieder einmal ein Artikel auf dieser Seite, dessen Substanz sich beim kritischen Lesen homöopathisch verdünnisiert und ob des Hüpfens von Thema zu Thema inhaltlich die Belanglosigkeit streift. Was soll das denn nun bitte wieder? Das Schwinden der Relevanz der Landeskirchen wird mit den Programmänderungen von SRF DRS kurzgeschlossen („Alles kein Problem, bnitte!“) und die Grundrechtsfrage konservativer („mühsamer“) Christen hat auch noch Platz um dann bei einem Menü-Vorschlag zu enden. Herr Jütte, Sie werden von Steuergeldern bezahlt, samt und sonders und hätten die Aufgabe, hier Relevantes zu Kirche und Theologie zu erdenken. Ersparen Sie uns bitte die Pommes-Frites-Meditation.

    1. Sehr geehrter Herr Baumann,
      ich habe kein Problem damit, dass Sie meine Position nicht teilen. Das finde ich interessant. Unsympathisch ist mir aber Ihre herablassende Art. Und im Strom meiner belanglosen Gedanken verorte ich sie als Krisenphänomen im Sinne meines Textes.
      Herzlich, Stephan Jütte

  2. Karl Johannes Rechsteiner

    Der Protest gegen den Religions-Kahlschlag von SRF hat meines Erachtens nicht mit dem Bedeutungsverlust der Kirchen zu tun. Hier wird unabhängiger Journalismus abgeschafft, der eben genau die wachsende Religionsvielfalt durchleuchtet und kompetent die hiesige kulturreligiöse Entwicklung thematisiert. Angesichts von neuer Sektiererei, von Religionsgeschwurbel und wachsender Religionsinkompetenz bei Journalist*innen ist dies verheerend. Genau hier gehört ein öffentlich-rechtlicher Auftrag hinein und das hat überhaupt nichts mit dem Ansprechen eines jüngeren Publikums zu tun. Im Gegenteil!

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