Less noise – more conversation.

 Lesedauer: 11 Minuten

Our body, our choice

Inhaltswarnung: In diesem Beitrag geht es um Abtreibung/Schwangerschaftsabbruch. Falls das Thema für dich aktuell schwer zu verarbeiten ist, sei achtsam und lies diesen Artikel vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt.

«Was, wenn…?» Ich habe Mühe, einzuschlafen, denn das Gedankenkarussell dreht sich. Was, wenn ich schwanger bin? Es kann eigentlich nicht sein – aber was, wenn doch? Ein Verhütungsunfall?

Das war nicht irgendwann, sondern vor einer Woche. Zehn Tage war meine Menstruation überfällig, ohne, dass ich mir gross Gedanken dazu gemacht hätte. Der letzte Monat war mit dem Aufgleisen des Leitungswechsels im RefLab beruflich sehr intensiv gewesen. Kein Wunder, hatte sich mein Zyklus etwas verschoben.

Doch plötzlich schlich sich dieser Gedanke ein: Was, wenn die Tage wirklich ausbleiben? Wenn Stress gar nicht der Grund war für die Verzögerung?

Was für eine Situation: Ich übernehme gerade eine leitende Funktion, und eigentlich haben mein Partner und ich die Kinderfrage abgehakt. Die Konsequenzen, die eine ungeplante Schwangerschaft mit sich gezogen hätten, waren auf einen Schlag erschreckend realistisch. Dazu kam, dass mich Themen rund um gewollte und ungewollte Schwangerschaften ohnehin gerade beschäftigten: Eine mir sehr nahe stehende Person erwartet in diesen Tagen ein Kind, und ebenfalls in dieser Woche steht noch eine Prüfung zum Thema «Abtreibungsethik» an.

Ich mache mir ernsthafte Gedanken, bis ich am nächsten Vormittag ein bekanntes Ziehen im Bauch spüre und sich eine Welle der Erleichterung einstellt. Zum Selecta-Automaten zu gehen, um einen «Maybe Baby»-Test zu kaufen, ist nicht mehr nötig.

Ich beginne diesen Artikel mit dieser sehr persönlichen Geschichte. Dies, nachdem ich Stunden vor dem Entwurfsdokument gesessen bin und zwar viele Notizen gemacht, aber keinen vernünftigen roten Faden gefunden habe. Die polemischen Aussagen der «Pro Life»- und «Pro Choice»-Fraktionen sind zu aggressiv, die philosophischen Argumente zu abstrakt.

Was in dieser Diskussion – wie in so vielen – zählen sollte, sind echte Geschichten. Auch vergleichsweise harmlose wie die soeben erzählte, weil sie durchscheinen lässt, was es in unserer Gesellschaft heisst, schwanger werden zu können. Doch dazu etwas später nochmals.

Ethische Argumente

Auch die ethische Diskussion muss geführt werden, und weil Moral ein kulturelles, kontextabhängiges Konstrukt ist, muss dies auch immer wieder geschehen. Ich denke bloss nicht, dass man damit zu einer Lösung kommt, die alle überzeugt. In einer Demokratie wird schlussendlich abgestimmt, und da zählen die Verteilung von Macht und Ressourcen sowie die vorhandenen Narrative mindestens so viel wie ethische Überlegungen.

Im Folgenden trotzdem eine Auslegeordnung gängiger Positionen:

1. Personalität

Ein gängiger Diskussionsstrang ist, das Recht auf Leben an der Personalität festzumachen. Wenn ein Individuum eine Person ist, hat es ein Recht auf den Schutz seines Lebens.

Personalität wird dabei z. B. so definiert, dass ein Individuum fähig ist, zu kommunizieren, sich seiner selbst bewusst zu sein, eigenmotivierte Aktivität zu entwickeln etc.

Man kann in dieser Frage entweder zum Ergebnis kommen, dass ein Embryo oder ein Fötus eine Person ist, auch wenn er die entsprechenden Fähigkeiten nicht ausüben kann – ähnlich wie ein erwachsener Mensch, der schläft oder im Koma liegt.

Man kann auch so argumentieren, dass bei einem Fötus eine grosse Wahrscheinlichkeit besteht, dass er sich zur Person entwickelt, und deswegen gleiche Rechte besitzen sollte wie ein Individuum, das bereits eine Person ist.

Oder man kommt zum Ergebnis, dass ein Embryo oder Fötus keine Person ist, weil er zumindest in einem frühen Entwicklungsstadium die entsprechenden Fähigkeiten nicht besitzt.

Die Begründung des Rechts auf Leben an die Personalität zu koppeln, hinkt jedoch. Zum Beispiel dort, wo es um Menschen geht, die diese personalen Fähigkeiten dauerhaft nicht oder nicht mehr besitzen. Etwa Menschen mit einer schweren geistigen Beeinträchtigung – angeboren oder nach einem Unfall.

Umgekehrt gibt es intelligente Tiere, welche nicht zur Spezies Homo Sapiens gehören, aber kommunizieren können, über ein Bewusstsein ihrer selbst verfügen und zielgerichtete Entscheidungen treffen können. Die moralische Intuition spricht trotzdem dagegen, ihnen die gleichen Rechte zu geben wie einem erwachsenen Menschen.

Wo beginnt und hört jemand auf, eine Person zu sein?

Ein Embryo, ein Fötus, ist noch kein Baby. So wie ein Kind kein Erwachsener ist.

Es gibt einen Unterschied, der zwar noch keine moralische Wertung impliziert, aber sprachlich und juristisch gewichtig ist. Schon im Alten Testament wird jemand, der durch einen gewalttätigen Akt eine Fehlgeburt auslöst, milder bestraft als jemand, der einen Mord begeht. (Ex 21,12.22)

Ob ein Individuum ungeboren, geboren, Kind oder Erwachsener ist, geht auch mit unterschiedlichen Rechten einher. Diese sollen mit den Fähigkeiten und Bedürfnissen des betroffenen Individuums korrelieren. So dürfen etwa Kinder nicht autofahren, weil sie noch nicht die mentalen und körperlichen Fähigkeiten dazu haben.

Es scheint nicht falsch, Embryonen und Föten andere Rechte zu geben als geborenen Kindern, denn sie verfügen über andere Fähigkeiten und Bedürfnisse. Zentral: Das Bewusstsein ist noch nicht ausgebildet, und ohne die Anbindung an den Körper der Frau wären sie nicht lebensfähig. Die Grenze zur Lebensfähigkeit, in vielen Gesetzgebungen ein Marker für die Legalität eines Schwangerschaftsabbruchs, ist nicht willkürlich gezogen.

An welchem Punkt Personalität beginnt und inwiefern gewisse Fähigkeiten vorhanden sein müssen, ist also eine Möglichkeit, die Zulässigkeit eines Schwangerschaftsabbruch moralisch als auch juristisch zu beurteilen. Zum Beispiel an dem Punkt, an dem ein Fötus mit medizinischer Unterstützung ausserhalb des Mutterleibs lebensfähig wäre, also ungefähr bei 24 Wochen. Für andere ist hingegen schon eine befruchtete Eizelle eine Person.

Und eine dritte Möglichkeit ist, Personalität mit der Geburt beginnen zu lassen. So heisst es im Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Artikel 31: «Die Persönlichkeit beginnt mit dem Leben nach der vollendeten Geburt und endet mit dem Tode.» Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte setzt ebenfalls die Geburt eines Menschen an den Anfang. In der aktuellen Debatte in den USA argumentieren auch viele Jüdinnen und Juden so, dass laut ihren theologischen Überzeugungen der erste Atemzug einen Menschen zur Person mache.

Straffrei, aber nicht legal

Manche Philosoph:innen finden, die Personalitätsdebatte gehe am Kern der Sache vorbei. Für sie steht die Handlung der Abtreibung selbst im Zentrum und damit die Frage, was die Tötung eines Lebewesens moralisch verwerflich macht. Eine mögliche Antwort: Man nimmt einem Individuum die Zukunft und beraubt es so verschiedenster Erfahrungen und Erlebnisse.

Dem Umstand, dass ein Embryo oder ein Fötus zumindest einen gewissen moralischen Status hat,  trägt das Gesetz sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland Rechnung, indem Schwangerschaftsabbrüche eigentlich illegal, aber «straffrei» sind.

2. Feministische Positionen

Obwohl der Feminismus im Diskurs um Schwangerschaftsabbrüche präsent ist, gibt es nicht eine einzige Position unter diesem Label. Am stärksten ist diejenige, die vom unbedingten Recht der Frau auf Selbstbestimmung ausgeht, welches das Recht des Embryo/Fötus in jedem Fall übersteigt. Ins Zentrum der Debatte rückt die schwangere Person [1], nicht mehr das entstehende Leben.

Andere argumentieren mit Gerechtigkeit gegenüber unterdrückten gesellschaftlichen Gruppen, zu denen Frauen immer noch gehören, und dass Gesetze unterdrückende Strukturen nicht verstärken oder perpetuieren dürfen. Somit müsse Abtreibung moralisch und legal erlaubt sein, denn ohne diese Möglichkeit würden betroffene Frauen in Armut gehalten und ihre Chancen verstellt.

Das selbe Argument lässt sich aber auch gegen Schwangerschaftsabbrüche ins Feld führen. So engagieren sich die meisten «Lebensschützer:innen» aus Mitgefühl für die Föten, die aus ihrer Sicht hilflose kleine Kinder sind.

Zentrale Werte feministischer Ethik sind u. a. Vielstimmigkeit, Kontext, Intersektionalität, Beziehung, Care und Kooperation. Insofern gibt es auch Feministinnen, die Schwangerschaftsabbruch als «männliche» Antwort auf ein Problem betrachten: Es wird Dominanz ausgeübt, eine Beziehung gekappt, Fürsorge für den Embryo/Fötus nicht wahrgenommen – so diese mögliche Argumentation.

3. Kontextabhängige, offene Beurteilung

Es wird klar, dass die bisherigen Positionen nicht zu einem klaren, einzig richtigen Schluss führen. Insofern sind nochmals andere Gedanken überzeugender, die von der konkreten Situation ausgehen und für die moralische (nicht juristische!) Beurteilung keine absoluten Aussagen treffen.

Das heisst etwa, zu fragen, wie hoch der Preis für die betroffenen Personen wäre, wenn die Schwangerschaft nicht abgebrochen würde (dabei kann auch der Vater des potenziellen Kindes einbezogen werden). Oder aus welcher (Beziehungs-)Situation heraus die Schwangerschaft entstand. Alter, ökonomische Situation, Lebensplanung der betroffenen Personen können betrachtet werden. Der Entwicklungsstand des Fötus ist ein relevanter Faktor, aber auch das moralische und psychologische Risiko eines Schwangerschaftsabbruchs für die Frau. Wer den Preis einer ungewollten Schwangerschaft trägt, kann ergebnisoffen diskutiert werden.

Aus dieser Perspektive ist ein moralisches Urteil möglich. Man kann begründeterweise zum Schluss kommen, dass in einer bestimmten Situation ein Schwangerschaftsabbruch mehr gerechtfertigt ist als in einer anderen. Aber auch aus dieser Perspektive bleibt das Recht einer Frau, selbst zu entscheiden, zentral. Das massgebliche Urteil spricht sie – niemand sonst.

«Mein Körper, mein Leib»

«My body, my choice» ist der Slogan der feministischen Bewegung zu diesem Thema. Manche konservativen Christ:innen halten dies für eine blasphemische Verzerrung der Abendmahlsworte von Jesus Christus, «Dies ist mein Leib, für euch gegeben». Diese Wortwahl sei ein Beweis dafür, dass Abtreibung ein dämonisches Werk des Teufels sei (Peter Kreeft, kath. Philosoph).

«Mein Leib» kann aber aus theologischer Sicht noch eine weitere Bedeutung haben. Die Gemeinschaft der Gläubigen ist der «Leib Christi». Oder etwas moderner ausgedrückt: Menschen, die an Gott glauben, und ihre Beziehungen untereinander sind Orte, an denen Gott in der Welt präsent ist.

Der damalige Schweizerische Evangelische Kirchenbund (heute EKS) hat 2012 in der von Ivana Bendik verfassten Stellungnahme zur Initative «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» darauf hingewiesen, dass Schwangerschaftsabbrüche eben nicht Privatsache sind, sondern eine gesellschaftliche Herausforderung. «So lange wir in Verhältnissen leben, in denen Frauen durch eine Schwangerschaft in die Situation geraten, in der ihnen eine ihre Kräfte übersteigende Entscheidung über Leben und Tod abverlangt wird, sind wir an der Not der Frauen sowie an der Abtreibung mitbeteiligt.»

Schwangerschaften betreffen uns alle. Sie ziehen alle in die Verantwortung, eine gerechtere Welt zu schaffen, Freiheiten zu schützen, füreinander zu sorgen, uns miteinander zu freuen, gemeinsam zu trauern und zu protestieren.

Lebensschutz als ganzheitliches Konzept

«Lebensschutz» betrifft aber nicht nur Schwangerschaften. Als Gesellschaft schätzen wir Leben jetzt schon nicht gleich ein – die Grenzen werden je nach Bereich und Thematik sehr unterschiedlich gezogen.

Es geschehen Femizide, weil die Bedrohung durch häusliche Gewalt nicht genügend ernst genommen wird. Menschen ausländischer Herkunft werden in ihre Heimatländer zurückgeschickt, auch wenn dies ihr Leben bedroht. Es wird zu wenig dafür getan, den Klimawandel zu bremsen, auch wenn dies für die Lebensqualität zukünftiger Generationen absolut notwendig wäre. Und Corona hat gezeigt, wie viel oder wenig wir bereit sind uns einzuschränken, um das Leben vulnerabler Personen zu schützen («Fürs Läbe?»).

Das Alte Testament kennt das Konzept des «Todes im Leben»: Leben ist nicht nur eine biologische Kategorie, sondern auch eine soziale, ökonomische, gesundheitliche und psychische.

Insofern ist bei einer Schwangerschaft zwar biologisch ein werdendes Leben da, aber womöglich gleichzeitig ein Schatten des Todes: Aufgrund der sozialen Umstände, der psychischen Belastung für die schwangere Frau, durchkreuzten Lebensplänen und manchmal auch bei einer Krankheit, die das Kind nicht lebensfähig macht. Ein Schwangerschaftsabbruch vollzieht diesen Tod endgültig, kann gleichzeitig aber auch Lebensqualität für die Personen ermöglichen, welche den Entscheid getroffen haben.

Die Fristenlösung ist ein Gesprächsraum

In einer gerechteren, lebensbejahenderen Gesellschaft wären Kinder kein Armutsrisiko. Menschen aller Geschlechter wären gleichberechtigt. In diese Richtung sollten wir uns mit der Debatte bewegen. Dies bedingt, dass beide Seiten einen Schritt wegrücken von extremen Positionen.

Und dies bringt wieder die feministischen Werte der Vielstimmigkeit ins Spiel, der Transparenz der eigenen Perspektive, die Anerkennung von Beziehungen und von systemischer Unterdrückung.

Dialog würde bedeuten, dass Abtreibungsbefürworter:innen anerkennen, dass sich die Frage nach dem moralischen Status von ungeborenem Leben tatsächlich stellt. Dass ein Schwangerschaftsabbruch nicht reine «Gesundheitsvorsorge» ist, sondern eine ethische Dimension enthält, die diskutiert werden darf.

Und dass, auf der anderen Seite, Abtreibungsgegner:innen glaubhafte Schritte tun, um Familien und alleinerziehende Eltern zu unterstützen – und zwar bis die Kinder erwachsen sind. Dass Care-Arbeit gleichwertig wie Erwerbsarbeit behandelt wird, Väter gleiche Verantwortung übernehmen, armuts- und krankheitsbetroffene Menschen gut unterstützt werden.

Dieser Dialog wäre mit der bestehenden Kompromisslösung in der Schweiz, der Fristenlösung, möglich. Dieser Gesprächsraum sollte genutzt werden, um Geschichten zu erzählen und zu hören. Um zu lernen und uns als Gesellschaft zu entwickeln. Und nicht, um extreme Positionen zu propagieren und neue Einschränkungen zu fordern.

 

[1] Auch Menschen, die sich als nonbinär oder agender identifizieren oder trans sind, können schwanger werden. 

Eine reformierte Sicht vonseiten der evangelischen Kirche Schweiz (EKS) auf Elternschaft, Familie und Kinderlosigkeit findet sich in diesem frisch erschienenen PDF «10 Fragen – 10 Antworten»

Bild: Monika Kozub, Unsplash

8 Kommentare zu „Our body, our choice“

  1. Vielen herzlichen Dank Evelyne, du hast in diesem Beitrag die Worte gefunden, die mir seit Freitag fehlen. Die Verschiebung hin zu noch mehr struktureller und systemischer Ungerechtigkeit in den USA und die lauter werdenden Stimmen, die dasselbe in der Schweiz fordern, lösen in mir Ohnmachtsgefühle aus. Gleichzeitig betrauert es mich, dass es Schwangerschaftsabbrüche geben muss – aus welchen Gründen auch immer. Jesus sagte, lasst die Kinder zu mir kommen und immer wenn ich daran denke, werde ich traurig. Als Gesellschaft sind wir oft nicht bereit, die Kinder „kommen zu lassen“, sie sind nicht willkommen (siehe Bildung, Betreuung, faire Zukunftsperspektiven für alle oder Entlastung von Alleinerziehenden und Familien). Familien und Alleinerziehende haben es schwer, insbesondere jene, die in Armut leben – auch in der Schweiz. Dieser Artikel macht mich nun insofern Sprachfähig, dass ich ihn jedem Menschen schicken werde, der mich in eine undifferenzierte Diskussion verwickeln möchte. Oh – und einmal mehr; als Stimme aus der Hochrisikogruppe: Danke fürs Erwähnen „unserer“ Gruppe, tut gut, immer mal wieder gesehen zu werden 😉

    Sarah

    1. Evelyne Baumberger

      Liebe Sarah, danke für deinen Kommentar! Es gibt so viele Facetten bei diesem Thema, und wie du auch schreibst, lässt es sich nicht isoliert betrachten. Liebi Grüess!

  2. Andreas Schweizer

    Liebe Evelyne
    Eigentlich erstaunst mich Deine Schreibkunst nicht mehr, Du schreibst und performst stets in der Top-Klasse.
    Bei diesem Text gingst Du aber noch zwei Schritte weiter, mit einer persönlichen Erfahrung lässt Du uns Leser sehr nah dran an Deine eigene Gefühlslage und mit dieser Stellungnahme zu einem Thema das in Deinen (und meinen) Kreisen schon immer Undiskutabel war, machst Du einen sehr mutigen Schritt. Und Du machst das wirklich sehr sehr gut.
    Danke dafür.
    Andreas

  3. Liebe Evelyne,
    ich schließe mich Sarah und Andreas an. Danke für die differenzierte Sicht auf das Thema!
    Sarahs Bild vom „die Kinder kommen lassen“ in Verbindung mit Jesus hat mich sehr bewegt – nicht nur hinsichtlich des Themas Abtreibung, sondern auch im Bezug auf das Phänomen des regretting motherhood.

    Ich wünsche mir sehr, dass wir uns als Gesellschaft viel mehr Gedanken um die Frage machen, wie es sein kann, dass für so viele Frauen/Paare (auch in gut situierten Verhältnissen und stabilen Partnerschaften) die Vorstellung, Eltern zu werden, so negativ behaftet und belastend ist. Es gäbe so viel mehr zu sagen als das plumpe „dann müssen wir eben als Lösung des Problems die Abtreibung erleichtern“ einerseits und das zynische „stellt euch nicht so an, Kinder sind eine Gabe Gottes“ auf der anderen.

  4. Barbara Göttler

    Vielen Dank für diesen interessanten Artikel mit der Auslegeordnung gängiger Positionen und dem Fazit, dass Lebensschutz ein ganzheitliches Konzept ist.
    Ja, extreme Positionen dienen wenig und sich gegen Schwangerschaftsabbruch einzusetzen ohne gleichzeitig für Menschen in unserer Gesellschaft einzustehen, die irgendwie benachteiligt sind und/oder schwierige Lebensbedingungen zu bewältigen haben, ist fragwürdig.
    Ein Aspekt, der bei mir besonders im Blick auf die Abtreibung von Föten mit einer diagnostizierten Behinderung Fragen und Unbehagen auslöst: Kann eine Offenheit und Sicht für benachteiligte und schwache Menschen in unserer Gesellschaft wachsen und dieser ganzheitliche Lebensschutz greifen (von der im Artikel steht), wenn umgekehrt die Selektion im frühen Stadium (weiter) zunimmt?
    Wird die Abtreibung von behinderten Föten schleichend zur Norm (wie man aus Statistiken z.B. zur Abtreibung von Föten mit Trisomie 21 und andern Behinderungen schliessen muss) , dann – so befürchte ich – werden die Hürden und der Druck auf Familien, die sich dennoch für ein behindertes Kind entscheiden – aber auch allgemein für schwache, beeinträchtigte oder benachteiligte Menschen (ob durch Unfall, Krankheit oder Geburtsgebrechen verursacht ?) – immer grösser.

  5. Danke für diesen vielschichtigen, persönlichen und Gesprächsräume eröffnenden Text.
    Ergänzend: Solange wir Tiere essen, Bäume fällen und ganze Arten für immer ausrotten, müssen wir auch in Kauf nehmen, dass menschliches Leben vorzeitig beendet wird, ohne andere dafür zu verurteilen.
    Möglichkeiten, wie Auswege aus dieser ethisch belastenden Lebens(un)art gefunden werden können, zeigt der Text wunderbar: Aufwertung von allem, was sorgt, nährt, verbindet.

  6. Du machst hier eine gute Auslegeordnung zum Thema, finde ich. Deine pers Geschichte zum Einstieg ist nett, wird der Problematik jedoch nicht gerecht. Wegen Karriere abtreiben, ernsthaft ein Thema? Die echten Konflikte sind anders, glaube ich. Dann bietest du als Lösung einen gutschweizerischen Kompromiss an. Jeder soll doch bitte den Anderen verstehen und etwas nachgeben. Auch das ist nett, aber wird dem Konflikt nicht gerecht. Meine Überzeugung wird auf dieser Welt niemals mehrheitsfähig sein. Trotzdem bleibe ich dabei, weil sie auf meiner Herzens- und Glaubensbasis beruht. Ich kann nicht erwarten, dass Andere das übernehmen für sich, aber Kompromisse gehen auch nicht.
    Was im Artikel fehlt und ich wichtig finde, ist eine Auseinandersetzung mit der Gewichtung des „Lebenrechtes“ in unserer Gesellschaft. Ich arbeite im Gesundheitswesen. Ich sehe Familien zerbrechen, weil ein Kleinkind stirbt; die ausgelöste Belastung ist zu gross, die Welt zerbricht, wenn das Kind stirbt. Ich sehe alte Menschen, die nicht sterben dürfen, weil sie oder die Angehörigen durch den Tod überfordert sind. Für mich gehört das alles zusammen. Der Tod ist nicht banal und normal und gegenwärtig, wie er eben eigentlich ist, sondern der Tod ist eine Katastrophe, der unser ganzes Leben in Frage stellt. Dazu gehören auch die Fragen um Abtreibung, Wert von „behindertem“ Leben etc. Für mich hat das Leben eines alten Menschen nicht mehr Wert als ein ungeborenes Leben; auch meines ist gleichwertig. Ich sehe einfach praktische Aspekte: wir dürfen und müssen Gewichtungen vornehmen. Ein Ungeborenes Leben dürfen wir genauso töten, wie wir einen alten Menschen sterben lassen, wenn die Umstände so sind. Der Tod ist banal, aber setzt uns Überlebenden enorm zu. Es scheint mir falsch, wenn die Probleme der Überlebenden als Grundlage dienen für Entscheidungen über Leben und Tod. Und genau das machen wir mit einem Kompromiss.
    Im weiteren bin ich gar nicht einverstanden mit der Aufforderung an die Abtreibungsgegner, gefälligst die Situation der schwangeren Frauen zu verbessern. Diese Kreise sind ja bereits aktiv in dem Bereich und häufig die Einzigen, die den Frauen ernsthaft helfen. Der Vorwurf ist einfach nicht gerechtfertigt

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