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Ein Glaubensbekenntnis?

Früher habe ich Glaubensbekenntnisse als eine Sammlung von Aussagen verstanden, die meine Zustimmung fordern und denen gegenüber ich als Christ loyal zu sein habe. «Ich glaube an Gott, den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde» bedeutet dann, dass ich an den einen Gott glaube, der mein Vater ist und der alles, was ist, geschaffen hat. Also nicht an eine Gottheit, die in eine bereits bestehende Welt eingreift, sondern sie von Grund auf verantwortet. Nicht an einen fernen Gott, sondern an einen Vater-Gott. Nicht an mehrere Götter, sondern an diesen einen Gott.

Der Satz wird dann zu einem Netz von Sätzen, die man gegen andere Sätze verteidigen muss.

So habe ich das «Bekennen» aufgefasst. Manche «fremden» Sätze lassen sich leicht integrieren. Z.B. kann Gott gut als «Mutter» gedacht werden. Das Wort drückt ebenfalls Nähe und Vertrautheit aus. Und was Mütter und Väter sind, entscheidet eh jede Zeit neu. Andere Sätze werden durch das Netzwerk ausgeschlossen: Gott ist nicht diese Welt, sondern ihr Schöpfer.

Nun ja, man glaubt halt auch nicht alles. Und manches, das man glaubt, schliesst anderes, das man nicht glaubt, aus. So weit so gut.

Kein Platz im Bekenntnis

Aber ausgerechnet diejenigen Dinge, die mir besonders wichtig sind, kommen im Glaubensbekenntnis gar nicht vor: Gott, der sein Volk aus Ägypten befreit, der mit einem Schlitzohr – wie dem König David – Politik machen kann, der unsere Klage hört, der sich für Witwen und Waisen einsetzt. Jesus, der nicht nur geboren worden ist, sondern bis zu seinem Tod wichtige Dinge gelehrt hat: Dass wir einander vergeben können. Dass die Erde ein himmlischer Ort werden kann, Gerechtigkeit möglich ist und Gott berührt wird durch die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen. Oder unsere Zukunft, die nicht einfach in einem grossen Prozess endet, sondern in der die himmlische Stadt auf Erden kommt und uns alle neu macht.

Mein Glaube hat nicht Platz im Bekenntnis.

Darum deute ich es heute anders. Es definiert nicht den Sollzustand meines Glaubens, sondern liefert mir die Kapitelüberschriften, zwischen die ich meinen Glauben einschreiben kann. Mein Schöpfergott erinnert mich auch an die menschliche und damit die eigene Verantwortung gegenüber der Umwelt und vor allem als Teil derselben. Er fragt mich, ob ich so Vater bin, dass der Satz auch in meinem Leben gut klingt. Und schon nur der Name «Jesus Christus» erinnert mich daran, dass ich die Nachsicht meiner Mitmenschen brauche und ihnen Grosszügigkeit schulde. Dass ich versuchen kann, auch diejenigen, die ich nicht ausstehen kann, so zu behandeln, wie ich mir wünschte, dass sie mit mir umgehen. Die Einheit der Kirche provoziert mich, nach dem zu suchen und auf das zu hoffen, was mich mit anderen Menschen über Stil-, Wert- oder Gesinnungsdifferenzen verbindet.

Nicht jedes Kapitel muss ich immer auffüllen. Und manchmal ändern sich Schwerpunkte und Inhalte. Das ist gut. Und solange ich in diesen Überschriften denke und hoffe, fühle ich mich mit all jenen verbunden, die das vor mir getan haben, jetzt gerade tun und all den Menschen, die das in Zukunft tun werden. Jedenfalls mag ich das Glaubensbekenntnis gerne. Und ich spreche es mit. Nur nicht so schnell und nicht so sicher.

 

In den neusten zwei „Ausgeglaubt“-Folgen sprechen Manuel Schmid und ich über das Apostolische Glaubensbekenntnis und auch darüber, was es uns heute noch bedeutet.

 

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