Nach langer Zeit landet DreamWorks wieder einen gelungenen Animationsfilm: «Der wilde Roboter» ist die abenteuerliche Geschichte eines Service-Roboters, der nach einem Schiffbruch auf einer menschenleeren Insel landet und mit der dortigen Tierwelt in Verbindung kommt. Der Film basiert auf dem Roman «The Wild Robot» von Peter Brown.
Eine Frage der Verständigung
Am Anfang gestaltet sich die Kommunikation mit den Tieren schwierig. Da aber Rozzum 7134 (kurz Roz) eine intelligente Maschine ist, die darauf bedacht ist, Bedürfnisse und Wünsche möglichst zufriedenstellend zu befriedigen, erlernt sie die verschiedenen Tiersprachen, um ihnen behilflich zu sein.
Die erste und wichtigste Aufgabe von Roz besteht darin, für das Wohlergehen des Entenkükens Brightbill zu sorgen. Als dieses aus dem Ei schlüpft, ist die leibliche Mutter nach einem Unfall bereits gestorben und Roz wird von Brightbill als Adoptivmutter angenommen. Das ist die erste intimere Annäherung, die Roz mit der Tierwelt macht.
Können Tier und Maschine koexistieren?
Denn Roz wird als Roboter von den Tieren zumeist als Eindringling betrachtet und ausgestossen. Es gibt aber zwei Ausnahmen: Der Fuchs Fink und die Opossum-Mutter Pinktail bilden zusammen mit dem Entenküken und Roz eine einzigartige Patchworkfamilie.
Fuchs und Opossum unterstützen den Roboter beim Erlernen einer Aufgabe, bei der die notwendige Programmierung in den Schaltkreisen fehlt: nämlich eine gute Mutter zu sein.
Im Verlauf des Films und unter wilden Tieren, nimmt Roz selbst tierische Eigenschaften an: der Roboter imitiert das tierische Leben, kann aber gleichzeitig auf seine technischen Fähigkeiten zugreifen.
Fressen, schwimmen und fliegen lernen
Zusammen gestaltet die Familie einen Plan für Brightbill. Denn er muss vor Beginn der Flugsaison in einen Schwarm aufgenommen werden, um mit seinen Artgenossen die Reise in den Süden anzutreten. Das Küken muss gross und stark werden, schwimmen lernen und flügge werden. Allesamt Aufgaben, bei denen der Roboter verständlicherweise zunächst nur scheitern kann.
Aber, wie für Menschen, gilt auch für Roboter und Entenküken: Learning by Doing. Und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Können Roboter lieben?
Können Roboter empathisch sein? Kann man ihnen Gefühle attestieren? Der Science Fiction-Autor Philip K. Dick hat mit «Träumen Androiden von elektrischen Schafen?» («Do Androids Dream of Electric Sheep?») die Vorlage für den Film «Blade Runner» geliefert und bereits 1968 darüber nachgedacht.
Die Grenze zwischen Mensch und Androide löst sich im Zukunftsroman auf.
In der Animationsgeschichte liegt diese Trennlinie hingegen zwischen Tier und Roboter, wobei die Analogien mit dem Menschen auf der Hand (oder Pfote) liegen. Wir können nicht wissen, ob Roboter lieben und eine digitale Seele entwickeln können. Was wir aber gut erforschen und bald erfahren werden, ist, ob die Menschen Roboter lieben werden.
Kann man Roboter lieben?
Ich denke, man kann tatsächlich Objekte lieben, sobald sie ein unverzichtbarer Teil des alltäglichen Lebens sind und man sie nicht mehr missen möchte. Vielleicht könnte diese Liebe sogar so weit gehen, wie diejenige, die man für Subjekte, wie z.B. Haustiere, empfindet.
Ihr habt euch mit Sicherheit dabei ertappt, wie ihr mit eurem Auto oder Smartphone gesprochen habt.
Intelligente Roboter werden mit uns Dialoge führen, uns hinterfragen, manchmal bestärken und anspornen.
Dies ist natürlich eine digitale Illusion, die uns echtes Leben vorspielt. Aber wenn wir für uns für Tamagotchis gesorgt haben, dann werden wir es aller Wahrscheinlichkeit nach auch für komplexere und teurere Ausführungen tun.
Wir Menschen können Objekte «beseelen» und dank der Erinnerungen, die wir mit ihnen verbinden, auch Gefühle für sie empfinden.
Die Intensität dieser Empfindungen wird von Person zu Person unterschiedlich sein. Aber Objekte sind uns nicht egal. Tatsächlich Liebe zu empfinden, ist freilich die Ausnahme, aber es kommt vor: Eine Frau hat sogar die Berliner Mauer geheiratet. Der Fachbegriff für Menschen die sich von unbelebten Objekten angezogen fühlen, mitunter sogar sexuell, lautet «Objektophilie».
Im Film «Her» wird in einem möglichen nächsten Schritt die menschliche Liebe zu einer Künstlichen Intelligenz, also zu einer Software thematisiert, bei der die Körperlichkeit gänzlich fehlt. Selbst dies, scheint im Film realistisch und nachvollziehbar zu sein.
Die Grenzen der Codes sprengen
Nach 102 Minuten Animationsfilm war mir Roz auf alle Fälle nicht egal. Es ist heldenhaft, wie sich die Maschine in die Mutterrolle stürzt. Das geht über Grenzen der Vorprogrammierung deutlich hinaus. Neben «WALL·E» ist «Der wilde Roboter» eine der gelungensten Roboter-Animationen, die ich kenne. Ein Film für Kinder und für Erwachsene. Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. 😉
Filmstill: DreamWorks